Der Kunde investiert viel – der Markenvertreter auch ...

Schutz bei Grossinvestitionen

Der Kunde investiert viel – der Markenvertreter auch ...

4. Mai 2018 agvs-upsa.ch – Garagisten müssen regelmässig grössere Investitionen tätigen, um ins Vertriebsnetz eines Zulieferers aufgenommen zu werden – oder im Händlernetz bleiben zu können. Zwei AGVS-Garagisten gewähren Einblick in die gängige Praxis.
 
tki. «Importeure verfügen gegenüber den Garagisten regelmässig über eine marktbeherrschende Stellung»: Die Worte von Professor Patrick Krauskopf sind deutlich. Im Auftrag des AGVS analysierte der Kartellrechspezialist mit der Zürcher Hochschule der Angewandten Wissenschaften (ZHAW), wie sich die Markenhändler in dieser Abhängigkeit zurechtfinden. Fazit: «Das Gutachten der ZHAW kommt zum Schluss, dass ein Bedarf an besseren Schutzmassnahmen zugunsten der Garagisten besteht.» Eine Entwicklung, die den AGVS beunruhigt.

«Die Wertschöpfungskette wird immer mehr monopolisiert, was die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet», stellt Zentralpräsident Urs Wernli fest. Handlungsbedarf, der beim Schweizer Garagistenverband ernst genommen wird. Olivia Solari vom AGVS-Rechtsdienst ist bestrebt, die Thematik Investitionsschutz zugunsten der Garagisten zu verbessern. Zwei AGVS-Garagisten gaben Einblick in die gängige Praxis als Markenvertreter.
 
Ob Fussboden, Aussenbeleuchtung oder PR-Massnahmen: Welche Trends und somit Anlässe zu Grossinvestitionen geben die Händler den Markenvertretern derzeit vermehrt vor?
Christoph Keigel: Sie geben die komplette Showroom-Möbilierung bis hin zur Innenraumaufteilung vor, um aus Markenperspektive optimale Abläufe sicherzustellen. Je nach Marke gehen die Vorgaben bis hin zur Kaffeemaschine und der Lichtstärke im Showroom.

Urs Weibel: Bei unserer Marke, VW, sind die Auflagen zum Thema «Facelift» seit einem Jahr erfüllt. Der Druck, etwas zu ändern, ist deshalb derzeit nicht allzu hoch. Unsere Importeure sind natürlich bezüglich der CI-CD Umsetzung stark von den Herstellern unter Druck. Aber im Handel verfügen sie über eine markbeherrschende Stellung, die sie zu ihrem Vorteil nutzen.

C. Keigel: Aber gerade bei der Corporate Identity im Aussenbereich mit Fassadenfarbe, -gestaltung, Integration des Markenlogos und von Pylonen gibt es regelmässig Adaptionen.

U. Weibel: Aufwendig wird es besonders bei Neu- respektive Erweiterungsbauten. Ob Möbel, Beleuchtung oder Böden – die Materialen werden bestimmt und kommen aus Deutschland. Nicht mehr gross genug sind bei vielen Schweizer VW-Markenvertretern vor allem die Schauraumgrössen. Auch die Digitalisierung ist ein Thema...
 
C. Keigel: Gewisse Marken nehmen bei Neuinvestitionen zudem sogar auf Fassadenform, Platzierung von Eingängen oder etwa Zahl der Parkplätze Einfluss. Eine Marke forderte von uns sogar, dass wir in einem existierenden Showroom neue Luxusfensterglasqualitäten verwenden, um die Produkte von aussen noch besser sichtbar zu machen. Werbebudget und -massnahmen sind ebenfalls reglementiert – werden aber vom Markenvertreter finanziert. Wesentlich und finanziell intensiv sind die Vorgaben für Vorführwagen und über die maximale Lagerdauer für Neuwagen.

Inwiefern kann eine Marke Einfluss auf die Betriebsabläufe nehmen?
C. Keigel:
Mit der Vorgabe, welches Dealer-Management-System (DMS) und welches Verkäuferarbeitsplatzsystem zwingend zu verwenden sind, nimmt die Marke direkt Einfluss darauf, wie betriebliche Prozesse ausgestaltet werden müssen. Zudem stellen die Marken heute Anforderungen an die Organisationsstruktur des Markenpartners, ergo, welche Funktionen in einem Autohaus zwingend zu besetzen sind. Die Prozesseinhaltung wird durch Mystery-Shopper und Kundenbefragungen überprüft. Und indem die Resultate dieser Tests und Befragungen margenrelevant gemacht werden, wird sichergestellt, dass die Abläufe auch respektiert werden. Es ist dabei aber auch zu betonen, dass für die bestmögliche Kundenzufriedenheit die definierten Prozesse meist korrekt und betrieblich notwendig sind.


Der Showroom als durchkonzipiertes und für den Garagisten kostspieliges Markenerlebnis: Die Garage Keigel AG gestaltete ihre Showrooms in Basel (Renault, Dacia und Nissan) und Frenkendorf (Jeep) in den letzten 24 Monaten komplett neu.
 
Welche Grossinvestitionen mit welchem Budgetdach müssen Sie in Ihrem Betrieb in nächster Zeit tätigen?
C. Keigel: Wir haben in den letzten 24 Monaten in Showroom-Erneuerungen und Corporate-Identity-Massnahmen mehr als 1,5 Millionen Franken investiert. Die nächsten Projekte stehen aber bereits an. Wir müssen Massnahmen zur Corporate-Identity im Aussenbereich für zwei Marken vornehmen und für eine Marke eine weitere Showroom-Erneuerung umsetzen.

U. Weibel: Zum Glück stehen bei VW PW derzeit keine grösseren Investitionen an. Aber eine neue Corporate Identity ist sicher bereits in Vorbereitung. Die neuen Möbel, Beschriftungen im Innen- wie auch im Aussenbereich sowie Teile der Beleuchtung beliefen sich vor einem Jahr auf etwa 50 000 Franken. Bei VW-Nutzfahrzeuge steht eine Ausstellungsraumerweiterung für VW Camper von etwa 150 000 Franken an.
 
Wie stemmen Sie diese Kosten?
C. Keigel: Aus dem laufenden Cashflow.

U. Weibel: Die letzte Grossübung vor Jahresfrist bezahlten wir aus der laufenden Rechnung. Rückstellungen können wir schon lange nicht mehr machen.
 
In welchen Zeiträumen können Sie diese Grossinvestitionen amortisieren und wie sichern Sie sich ab?
U. Weibel: Die letzte Grossmassnahme über 50 000 Franken in etwa fünf Jahren. Absicherung ist schwierig. Fest steht: Entweder man erfüllt die Auflagen oder man ist weg...

C. Keigel: Wenn immer machbar amortisieren wir nach den steuerlichen Höchstsätzen. Eine Absicherung ist nicht möglich. Die Garagisten sind auf ein gutes Verhältnis zum Importeur respektive dem Markenverteter angewiesen. Es ist sicherzustellen, dass die Entwicklung der Pläne für alle Investitionsprojekte gemeinsam erfolgt. Kooperation und Akzeptanz sind in der heutigen Praxis die besten Formen einer Absicherung.
 
Wie kooperativ sind die Importeure wirklich und wie beteiligen sich diese an Investitionen?
U. Weibel: Kooperation stellen wir kaum fest, aber eine Bauberatung funktioniert. Beteiligungen erfahren wir keine. Wir kennen aus der Praxis schlicht Auflagen mit Vorgaben über Lieferanten – und Umsetzungsdeadlines.

C. Keigel: Ich erlebe alle Importeure als grundsätzlich kooperativ, aber in der Sache auch als unnachgiebig. Verständlich, denn sie müssen die Umsetzung in ihrem ganzen Händlernetz gleich handhaben. Zur Investitionsbeteiligung mache ich zwei Beispiele aus der Praxis: Marke 1 beteiligt sich an der neuen Aussensignalisierung mit 30 Prozent der gesamten Investitionskosten, bei der kompletten Neueinrichtung des Showrooms hingegen überhaupt nicht. Marke 2 beteiligt sich am neuen Aussen-CI und an der Neumöblierung mit maximal 35 Prozent. Das Problem: Bei Marke 2 sind strukturelle Anpassungen an den Gebäuden nötig, um das neue Konzept umsetzen zu können. Diese Kosten, die ein Mehrfaches der Corporate-Identity-Kosten betragen, müssen wir vollständig finanzieren ...
 
Welchen Tipp halten Sie beim Thema Grossinvestitionen für Ihre Berufskollegen bereit?
U. Weibel: Als Unternehmer müssen wir mit Veränderungen leben, aber die geforderten Massnahmen hinterfragen. Es kann sich lohnen, Punkte wie Bode- oder Möbelvorganben bis zum nächsten Facelift hinauszuzögern, vor allem wenn sie noch zeitgemäss und neuwertig sind.

C. Keigel: Die Investitionen müssen zu allererst für den eigenen Betrieb stimmen. Man muss ausserdem nicht Pionier, also derjenige sein, der neue Konzepte zuerst umsetzt. Manchmal macht es Sinn, abzuwarten. Aus den Erfahrungen der Markenkollegen kann und darf gelernt werden. Schliesslich muss man sich aber heutzutage bewusst sein: Investitionen sind nötig! Wir verkaufen ein hochwertiges, teures Konsumgut. Unser Kunde hat ein Anrecht darauf, dass wir ihm dieses in einem ansprechenden Markenumfeld anbieten und erleben lassen.

Blick in den Showroom der Autoweibel AG: «Die Willkommenswand ist Pflicht, auch wenn sie in der hintersten Ecke des Showrooms steht. Nur die wenigsten Kunden werden so willkommen geheissen», so Geschäftsleiter Urs Weibel.
 
Garage Keigel AG
Die vor 90 Jahren gegründete Garage Keigel ist an den fünf Standorten Füllinsdorf, Frenkendorf, Basel, Oberwil BL und Zwingen im Autohandel mit den Marken Renault, Dacia, Nissan Jeep und Infiniti, der Vermietung von Automobilen (vor allem Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen) und sämtlichen weiteren Dienstleistungen rund um das Automobil tätig. Ebenso ist die heute circa 130 Mitarbeiter zählende Garage Keigel in den Bereichen Carrosserie, Fahrzeugbau und Industrielackierung tätig. Geschäftsführer Christoph Keigel amtet aktuell als Präsident des Renault-/Dacia-Händlerverbands der Schweiz.
Autoweibel Aarberg
Der Volkswagenvertreter versteht sich als Händler und Servicepartner für die Region Biel-Seeland. Wie die Garage Keigel AG ist die Garage Autoweibel ein klassischer Familienbetrieb, übernahmen die Söhne Andreas und Urs Weibel doch 1985 das damals 24-jährige Unternehmen. Nach dreijähriger Umbauzeit spezialisierte sich die Garage auf VW-Personenwagen und -nutzfahrzeuge, aber auch auf Markenklassiker wie den VW-Bus Porsch Carrera, den Golf Bimotor, T5 California und notabene den Käfer.
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