Wenn der Roboter «Grüezi» und «Uf wiederluege» sagt

Unsere Autos werden immer besser, effizienter und sicherer. Prozessoptimierung und Effizienz sind auch im
Werkstattbetrieb ein ständiges Thema. Das beginnt bei der Kundenannahme.
 

 

Der Prozess sieht für die Mehrzahl der Schweizer Automobilistinnen und Automobilisten heute aus, wie er vor 20 Jahren ausgesehen hat: Der Kunde ruft an, vereinbart mit seinem Kundenberater einen Service- oder Reparaturtermin und stellt seinen Wagen zur abgemachten Zeit auf den Kundenparkplatz. Dann betritt er den Showroom und drückt seinen Autoschlüssel dem Kundenberater in die Hand. Dieser notiert sich auf einem Formular, was zu tun sei, sowie die Telefonnummer des Kunden für allfällige Rückfragen. Dann gibt er das Annahmeformular mit den Terminen an die Werkstatt weiter. Später wird die ausgeführte Reparatur noch digital erfasst.

Geht das auch effizienter? Diese Frage stellen sich nicht nur tausende Garagisten, sondern auch eine Gruppe von vier Studierenden der Universität St. Gallen im Rahmen einer Projektarbeit am Institut für Wirtschaftsinformatik. In Auftrag gegeben wurde die Untersuchung vom Bereich Branchenvertretung des AGVS.

Zu vieles wird von Hand aufgeschrieben und muss in einem späteren Schritt in ein anderes Medium übertragen werden. Es sind diese zahlreichen Medienbrüche, die vom HSG-Quartett als eines der Hemmnisse auf dem Weg zu mehr Effizienz identifiziert wurden.

Die Projektarbeit «Autowerkstatt der Zukunft» definiert insgesamt 45 Vorschläge, wie digitale Technologien und Prozesse die Arbeit in einer Autowerkstatt effizienter und damit rentabler gestalten können. «Die meisten dieser Tools existieren auf dem Markt», stellt Co-Autor Pascal Inauen fest. 17 dieser Vorschläge betreffen den Bereich Kundenannahme. Sie können grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: Software und Diagnose.

Im Bereich Software geht es vor allem darum, sämtliche Tätigkeiten auf einer Plattform zu verwalten. Die Projektarbeit nennt einerseits die Open-Source-Software «Car/Auto Repair Shop», andererseits ganzheitliche Software-Lösungen am Beispiel von «Stieger Software» mit ihren 850 Schnittstellen. Stieger bietet eine innovative, kompakte Softwarelösung und eine individuelle Konfiguration durch Zusatzmodule für jegliche Betriebsgrössen an, stellen die HSG-Studenten fest. Die Open-Source-Software «Car/Auto Repair Shop» sehen sie eher für kleine und mittelgrosse Unternehmen. Gemeinsam haben die Software-Lösungen, dass sie Redundanzen vermeiden, den Papieraufwand reduzieren und die Effizienz steigern.

Für Grossunternehmen eignet sich die sogenannte «Robotic Process Automation» (RPA). Sie setzt Software ein, um IT-Applikationen zu nutzen, zu interpretieren und die Transaktions- sowie Datenverarbeitung und Kommunikation über mehrere IT-Systeme zu ermöglichen. RPA kann vor allem für repetitive, fehleranfällige, regelbasierte, zeitkritische und saisonbedingte Prozesse angewendet werden. Eine ganze Palette an Vorschlägen liefert die Projektarbeit für die Diagnose. Angefangen beim Fahrzeugscanner 3.0 von «TwoTronic». Der Scanner erfasst zum einen das Kennzeichen des eintreffenden Fahrzeugs, das direkt zur Kundenannahme geschickt wird. Zum anderen kann mit dem Scan eine erste Analyse des Autos durchgeführt werden. Hierdurch können Probleme schneller gefunden und die Reparaturprozesse beschleunigt werden.

Ein Diagnosegerät, das mit dem Aufkommen der Elektromobilität an Bedeutung gewinnen könnte, ist die akustische Kamera (ACAM) von «AVL DiTest». Das Messgerät wurde mit dem Automechanika Innovation Award 2018 ausgezeichnet und ermöglicht, Störgeräusche schnell und unkompliziert sichtbar zu machen, diese mit geringem Zeitaufwand zu lokalisieren, zu analysieren und den Fehler zielgenau zu beheben.

Mit «Uveye» steht eine Technologie zur Verfügung, die einen 3D-Scan des Fahrzeugs erstellt und den Werkstattmitarbeitenden eine anschauliche 360-Grad-Ansicht bietet. Feinste Details können erkannt werden – neben der Beschleunigung der Reparaturprozesse dient «Uveye» auch der Prävention grösserer Schäden.

Eine digitale Schadensauswertung nach Unfällen bietet die App «Control Expert Easy-claim». Bei einem Autounfall, beispielsweise einem Parkschaden, kann der Kunde Fotos des Schadens machen und in der App erfassen. Mithilfe von künstlicher Intelligenz prüft die App den Schaden, kalkuliert und erstellt eine Werkstattempfehlung – entweder durch die Versicherung oder die App selbst. Die App eignet sich vor allem für Bagatellschäden und überlässt dem Kunden, ob er sich die Schadenhöhe auszahlen lassen will oder den Schaden beheben lässt. Vor allem die erste Option kann nicht im Interesse des Autogewerbes sein.

Entsprechend kritisch betrachtet beispielsweise der deutsche Bundesverband der Partnerwerkstätten (BVdP) die digitalen Prozesse in der Schadenabwicklung. Die Invesition in IT und in die Schulung der Mitarbeitenden gehe stets zulasten der Werkstätten. Wenn es mal kracht, führt wohl auch in Zukunft kein Weg an der Werkstatt vorbei.


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