Die Wasch-Garage macht die Not zur Tugend

Ein Denkanstoss, Risiken nicht zu scheuen

Die sogenannte Wasch-Garage reinigt Fahrzeuge von aussen und von innen. Vor allem zeigt die Altenburg-Garage in Untersiggenthal AG mit ihrem innovativen Konzept: Wer neu denkt, kann im Autogewerbe auch in Zukunft erfolgreich sein.
Publiziert: 13. November 2025

										Ein Denkanstoss, Risiken nicht zu scheuen
«Hier findet die Innenreinigung der Autos statt. Dafür wurden zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen», sagt Stefan Hiltmann, Geschäftsführer der Altenburg-Garage in Untersiggenthal AG, zur neuartigen Wasch-Garage. Fotos: AGVS-Medien

Untersiggenthal im Kanton Aargau gehört zum sogenannten Wasserschloss der Schweiz. Hier fliessen Limmat, Reuss und Aare zusammen, bevor letztere dann ein paar Kilometer später bei Koblenz in den Rhein mündet. Wieso das an dieser Stelle von Relevanz ist? Dazu später mehr. 

Nur wenige Meter hinter der erwähnten Limmat befindet sich die Altenburg-Garage, deren Inhaber und Geschäftsführer Stefan Hiltmann uns an diesem milden Oktobertag freundlich begrüsst. Auf den ersten Blick sticht dem Besucher kaum etwas Auffälliges ins Auge: ein Markenhändler an ruhiger Lage mit grosszügigem Umschwung. Doch der AGVS-Mitgliedsbetrieb hält seit einigen Wochen einen aussergewöhnlichen Trumpf im Ärmel: die Wasch-Garage. Das Konzept? In einer hochmodernen Waschanlage lassen Kundinnen und Kunden zum einen ihr Auto reinigen, wobei verschiedene Waschprogramme angeboten werden. So weit, so normal. Für die Sauberkeit von innen setzt die Altenburg-Garage hingegen auf eine komplett neue Methode. 

 

Stefan Hiltmann, welche Idee steckt hinter der «Wasch-Garage»?
Stefan Hiltmann: Jahrelang war die Endreinigung der Fahrzeige in unserer Servicekette das Nadelöhr. Wir haben die Autos nach Erledigung sämtlicher Arbeiten noch kurz geputzt, allerdings eher im Schnellverfahren. Ein Gratisdienst, mit dem wir unsere Kundinnen und Kunden «verwöhnt» haben. 

Und heute?
Stefan Hiltmann: Da es zunehmend mehr Elektroautos gibt, wird auch der Unterhalt der Fahrzeuge abnehmen, sprich: Wir rechnen damit, tendenziell kürzere, aber mehr Reparatur- und Service-Durchgänge zu erledigen. Da wie bereits erwähnt die Endreinigung den Flaschenhals bildete, kamen wir zur Erkenntnis, dass diese effizienter vonstattengehen müsse. Und über eine Waschanlage verfügten wir bis dato nicht.

Was kann die Wasch-Garage genau?
Stefan Hiltmann: Die Waschanlage, die Sie von aussen sehen, ist der eine Teil der Wasch-Garage. Sie kann von den Kunden autonom und selbst ausserhalb unserer Öffnungszeiten benutzt werden. Der Innenreinigung der Fahrzeuge wiederum schenken wir nun ganz besondere Beachtung und bieten drei Programme an: Limmat, Reuss und Aare. Da die Limmat der kürzeste der drei Flüsse ist, ist dies mit rund 30 Minuten das kürzeste und somit günstigste Programm. Bei der Aare, dem längsten Fluss, dauern die Arbeiten hingegen bis zu drei Stunden. 

Für diesen Service muss man sich im Vornherein anmelden?
Stefan Hiltmann: Für Reuss und Aare ja. Die Limmat kann spontan gebucht werden. Wir möchten die Hemmschwelle so tief wie möglich halten. Ausserdem erfolgt der Service markenunabhängig – jedes Auto ist also willkommen. Und somit selbstverständlich auch Personen, die noch nicht zu unserer Kundschaft gehören.

Wie reagieren Ihre Kundinnen und Kunden auf das neue Angebot?
Stefan Hiltmann: Grundsätzlich sehr positiv. Wichtig war zunächst, dass im Team alle das gleiche Verständnis davon haben, was «sauber» bedeutet – vom Serviceberater, der die Reinigung verkauft, bis zum Aufbereiter, der sie ausführt. Der Schlüssel zu unserem Erfolg lag darin, uns intensiv mit den drei Reinigungsprogrammen, ihren Inhalten und Preisen auseinanderzusetzen. So entstand ein gemeinsames Verständnis, hinter dem alle stehen. Unsere Serviceberater spielen dabei eine zentrale Rolle: Mit Überzeugung und dem richtigen Wording legen sie den Kundinnen und Kunden die Vorteile der Programme dar. 

 

Seit Anfang Juni ist die Wasch-Garage in Betrieb, bisher wurden rund 500 bezahlte Reinigungen gezählt. Laut Stefan Hiltmann nutzt etwas mehr als die Hälfte aller Kundinnen und Kunden in Verbindung mit einem Service oder einer Reparatur das Angebot. Vorher gab es auf dem Areal lediglich einen einfachen Waschraum, in dem die Fahrzeuge von Hand gereinigt wurden. Mittlerweile gehört mit der Wasch-Garage ein komplett neues Gebäude zur Firma. Drei zusätzliche Arbeitsplätze wurden geschaffen, zwei davon mit Hebebühne. Aufbereitung und Servicereinigung spannen jetzt zusammen, früher arbeiteten sie autonom. Bevor die Wasch-Garage ihre Tätigkeit aufnehmen konnte, musste erst eine hochmoderne Wasseraufbereitungsanlage in den Boden eingelassen werden, die die alte Spaltanlage ersetzte. «Wenn schon neu bauen, dann mit einem nachhaltigen Gedanken», meint der Inhaber. 

So werden rund 80 Prozent des benötigten Wassers wiederaufbereitet. Bis zum letzten Reinigungsschritt verwendet die Waschanlage Brauchwasser, erst der letzte Waschgang erfolgt mit Frischwasser. Um die Innenräume zu heizen, setzt die Altenburg-Garage zudem auf eine Wärmepumpe, deren Strom mit eigenen, auf dem Dach befindlichen Solarzellen produziert wird. Doch das ist noch nicht alles: Für die Innenreinigung der Autos – bei Limmat, Reuss oder Aare also – kommt ein Mikrotrockendampfreiniger zum Einsatz. 

 

Was ist denn ein Mikrotrockendampfreiniger genau?
Stefan Hiltmann: Dieses Gerät macht einerseits beim Anwenden Spass und schont gleichzeitig die Gesundheit unserer Mitarbeiter, da es ausschliesslich mit Wasserdampf funktioniert. Die Autos werden dabei allerdings nicht «pflotschnass», weil der ausgestossene Wasseranteil bloss fünf Prozent beträgt.

Somit können Sie vollständig auf Chemie verzichten?
Stefan Hiltmann: Vollständig nicht, nein. Das wäre zwar theoretisch denkbar, einige Arbeiten gestalten sich mit klassischen Putzmitteln aber nach wie vor effizienter. 

Wie lange dauert es ungefähr, bis Sie die durch die Anlage entstandenen Kosten wieder reingeholt haben? 
Stefan Hiltmann: Bis der Return on Investment geschafft ist, benötigt es noch viele weitere Buchungen. Unser Ziel war hingegen nie, Reinigungen im High-end-Bereich anzubieten. Der Fokus lag immer auf den «normalen» Fahrzeugen.

 

Um auf das neue Geschäftsmodell aufmerksam zu machen, entschieden sich Stefan Hiltmann und seine Crew dazu, die Wasch-Garage unter anderem in den sozialen Medien kommerziell zu bewerben. Das Thema eigne sich für Instagram und Co. sehr gut, ist Hiltmann überzeugt. Ein weiterer Grund: «Unsere Garage liegt etwas abseits der Hauptstrasse, so dass uns nicht sofort jeder bemerkt.» Für die professionelle Umsetzung der Videos sorgt ein externer Profi, der zwei bis drei Stunden pro Monat vor Ort ist und dabei Content erstellt, welcher dann einen Monat lang gepostet wird. Um die Facebook- und Insta-Storys wiederum kümmert sich jemand vom Team. «Auf die Social-Media-Beiträge werde ich oft angesprochen. Ein Kollege sagte neulich zu mir: ‹Eure Videos verfolgen mich!›», sagt Stefan Hiltmann schmunzelnd. 

Mit dem Angebot will die Altenburg-Garage neue Wege gehen. Und es soll andere Garagenbetreibende ermuntern, Risiken nicht zu scheuen. Stefan Hiltmann formuliert es so: «Ich möchte Branchenkollegen dazu inspirieren, aus der Not eine Tugend zu machen. Denn wir als Garagisten verschenken deutlich zu viele Dienstleistungen. Ausserdem werden die Margen in Zukunft eher kleiner, die gesetzlichen Auflagen höher – das Business ist und bleibt brutal hart. Deshalb sollten wir den Mut haben, für unseren Service auch etwas zu verrechnen. Das kann, muss aber nicht die Autoreinigung sein.»

 

Wie häufig waschen Sie selbst eigentlich Ihr Auto?
Stefan Hiltmann: Ungefähr einmal pro Woche.

Dank der Wasch-Garage haben die Zürcher hier an der Kantonsgrenze jetzt mal Grund, neidisch auf den Aargau zu sein?
Stefan Hiltmann: Gut möglich, ja (lacht laut). Sie sind aber natürlich jederzeit herzlich willkommen.

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