Rabattschlacht, Überproduktion, Krisensitzungen

Was ist bloss mit ­Chinas ­E-Automarkt los?

Immer mehr chinesische Automarken drängen in die Schweiz. Doch im Reich der Mitte tobt gerade ein erbitterter Preiskampf – mit möglicherweise fatalen Folgen. Lanciert hat ihn Platzhirsch BYD.
Publiziert: 10. September 2025

										Was ist bloss mit ­Chinas ­E-Automarkt los?
Der Riese aus China ist in der Schweiz gelandet: Anfang April 2025 gab BYD mit einem grossen Launch-Event den Einstand auf dem Schweizer Markt. Foto: BYD

China, das bevölkerungsreichste Land der Erde. Mittlerweile hat es sich sogar zum weltweit grössten Automarkt gemausert – und damit auch zum umkämpftesten. Im Gegensatz zur Politik, wo in bester sozialistischer Manier die Kommunistische Partei an den Schalthebeln der Macht sitzt und Demokratie im erfreulichsten Fall als verpönt gilt, herrscht auf wirtschaftlicher Ebene ein knallharter Wettbewerb. Rund 170 Autobauer balzen um die Gunst der Kundinnen und Kunden – immer öfters und immer präsenter auch in Europa.

Diverse Marken stehen in der Schweiz unterdessen in den Startlöchern, einige davon haben sich bereits einen Namen gemacht. Voyah beispielsweise, MG oder Zeekr. Letzterer Brand gehört wie Volvo, Polestar, Smart und Lotus zum Autokonzern Geely mit Sitz in Hangzhou und setzt auf europäisches Design, um sich von den chinesischen Mitbewerbern abzuheben.

 

Sägt BYD am eigenen Ast?

Rückblick: Als erster chinesischer Hersteller wagte 2020 JAC den Eintritt in den eidgenössischen Markt. Im gleichen Jahr folgte Polestar, 2021 gab sich Aiways die Ehre. Seit 2023 lassen sich die von vielen als «Billigstromer» bezeichneten Autos von Voyah hierzulande erwerben, im vergangenen Jahr feierte MG, einst in britischer Hand, sein Comeback auf nationaler Ebene. 

Über allen aber schwebt und steht BYD. Eine Marke, die den lange unumstrittenen Platzhirsch Tesla vor kurzem als global grössten Hersteller von Elektroautos vom Thron stiess. Doch nun wird das chinesische Unternehmen hunderttausende seiner Fahrzeuge kaum mehr los. Grund dafür ist ein Preiskrieg, den BYD aus eigenem Antrieb lanciert hat und dessen Ende noch nicht absehbar ist. Im Worst-case-Szenario, so glauben Branchenkenner, fällt BYD sich gar selbst in den Rücken. Was ist bloss passiert? 

Die Abkürzung BYD steht für den vor Selbstbewusstsein strotzenden Slogan Build Your Dreams. Momentan, so interpretieren es mehrere Branchenkenner, probiert BYD indes eher, sich seine eigenen Träume zu verwirklichen.

 

350000 unverkaufte Fahrzeuge

Die Grundidee tönt zunächst überzeugend: Man baue sich möglichst zügig eine Monopolstellung auf und verweise damit sämtliche anderen Mitbewerber in die Schranken. Also senkte BYD gemäss dem amerikanischen TV-Sender CNBC Mitte Mai bei 22 seiner Modelle die Preise radikal. Von Rabatten von bis zu 34 Prozent ist die Rede. Gleichzeitig stampfte der Hersteller zig neue Fabriken aus dem Boden, um die Produktion massiv auszubauen. Auf über vier Millionen Stück schraubte BYD seinen Absatz im vergangenen Jahr hoch. 

Die Folge ist jetzt allerdings eine massive Überkapazität. Mit anderen Worten: Der Markt ist ge- oder sogar übersättigt, BYD bleibt auf seinen eigenen Autos sitzen. Und das nicht zu knapp. Von einem «Überhang» spricht das «Handelsblatt» und nennt die Zahl von fast 350000 unverkauften Fahrzeugen, die sich per Ende Mai bei BYD angestaut habe. Teilweise, so errechnete es der chinesische Händlerverband, sei der Lagerbestand der Marke derart riesig, dass er rein rechnerisch locker für drei Monate ausreichen würde – ohne ein einziges Auto neu vom Fliessband zu liefern. Dem Vernehmen nach soll in der Provinz Shandong ein BYD-Händler über 20 Filialen dichtgemacht haben.

Trotzdem scheint die Lust von BYD noch lange nicht gestillt zu sein: 5,5 Millionen Fahrzeuge will die Firma heuer an die Leute bringen – das ist im Vergleich zu 2024 ein Plus von fast 30 Prozent. Bloss liegen Anspruch und Wirklichkeit aktuell einigermassen weit auseinander. Nett ausgedrückt. Während der chinesische E-Automarkt im ersten Quartal um rund 45 Prozent zulegte, beträgt die Zunahme bei BYD bescheidene fünf Prozent. 

 

Regierung zitiert Autofirmen nach Peking

Fragt sich, wie sich der Preiskrieg auf Europa auswirkt. Die Qualität der Autos genüge zwar für hiesige Ansprüche, sagt Branchenkenner Ferdinand Dudenhöfer im «Blick». Aber: «Den Chinesen fehlt eine Strategie für Europa.» Im Gegensatz zu renommierten Namen wie Ford, BMW oder Toyota müssten sich die Anbieter aus dem Reich der Mitte das Vertrauen der Kundschaft erst noch erkämpfen. «Mit den Methoden von BYD wird das nicht gelingen», ist Dudenhöfer überzeugt. 

Hat sich BYD mit seiner aggressiven Taktik also gewaltig verrechnet? Zumindest soll das Unternehmen in mehreren Werken die Fabrikation gedrosselt, Schichten reduziert und die Inbetriebnahme neuer Produktionslinien gestoppt haben, vermeldet unter anderen die Nachrichtenagentur Reuters. Ob dies aus Eigeninitiative geschieht oder weil BYD von Peking zurückgepfiffen wurde, lässt sich indes schwer beurteilen. Die Regierung ihrerseits, heisst es, habe gleich 16 Hersteller persönlich in die Hauptstadt beordert.

Auch an der Börse zeigt die bis anhin so erfolgreiche BYD-Story Risse. Bis Ende Mai, exakt zu dem Zeitpunkt, als die Firma die Preise für einen beträchtlichen Teil ihrer Flotte zu senken begann, kannte die Aktie nur eine Richtung: nach oben. Von August 2024 an hatte sich der Kurs innerhalb von etwas mehr als sechs Monaten verdoppelt. Mittlerweile hat BYD an der Börse aber deutlich nachgegeben, die Aktie ein Drittel ihres Werts verloren.

 

Und dann folgt die Kurskorrektur

Und in der Schweiz? 77 neue Autos hat BYD im Juli hierzulande an die Bevölkerung gebracht. In den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres waren es zusammengezählt 257. Neu wird ausserdem das Billigmodell Dolphin Surf angeboten, das ab zirka 20000 Franken erhältlich ist – bisher standen allein Wagen der Luxusklasse zur Auswahl. 

Ob das Schweiz-Geschäft von BYD weiter Fahrt aufnimmt, bleibt abzuwarten. Das Unternehmen lässt jedenfalls nichts unversucht: Anfang Juli wurde bekannt, dass BYD neu mit Uber zusammenspannt. Doch nach wie vor ist nur jedes fünfte verkaufte Auto in der Eidgenossenschaft mit einem E-Motor ausgestattet. Und selbst in diesem Bereich gibt es harte E-Konkurrenz von etablierten Marken inklusive Tesla.

Nimmt man die Zulassungszahlen als Referenz, wird jedoch deutlich, dass die anfängliche Skepsis einem tendenziell wachsenden Interesse gewichen ist. Rund 3800 Fahrzeuge aus dem Reich der Mitte wurden bis Ende Juli 2024 in der Schweiz immatrikuliert. Obschon der Verkauf von E-Autos in den letzten Jahren ins Stocken geraten ist, dürfte diese Zahl in den kommenden Jahren deutlich wachsen.

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