Wie Lernende bleiben – und zurückkehren
Wenn Peter Heiniger über Berufsbildung spricht, hört man die Erfahrung heraus. Der Berner war selbst Lehrling, arbeitet seit vielen Jahren als Berater für Berufs- und Praxisbildende und begleitet Lehrbetriebe bei der strategischen Nachwuchsarbeit. Am 23. September 2025 referierte er im Rahmen der AGVS-Webinarreihe gegen den Arbeitskräftemangel zum Thema «Erfolgsfaktor Betreuung: Lernende motivieren und binden».
Heiniger ist überzeugt, dass Bindung nicht erst wenige Monate vor dem Vertragsende beginnt, sondern bereits vor dem Rekrutierungsprozess. «Engagiert man Lernende gezielt aus Fachkräftemangelgründen, lohnt es sich, sich von Beginn weg darüber Gedanken zu machen, welcher Typ Mensch langfristig in das Unternehmen passt», erklärt er. Dazu gehöre auch ein Blick zurück: Welche Lernenden haben sich in der Vergangenheit zu Erfolgsgeschichten entwickelt, und warum?
Dann kommt die Startphase der Lehre, die laut Heiniger besonders kritisch ist. Studien seiner Beratungsfirma hätten ergeben, dass sich bei über einem Drittel der Lernenden schon in den ersten zwei bis drei Monaten entscheidet, ob sie nach der Ausbildung bleiben werden oder nicht. Meist seien es zwischenmenschliche Faktoren, die früh über Bindung oder Distanz entscheiden. «Neue Lernende müssen zu hundert Prozent in die ‹Familie› aufgenommen werden. Sie kommen von der Schule in eine komplett neue Welt – mit echten Leistungsansprüchen und Verantwortung», so Heiniger.
Eine Chance geben
Wer Lernende mit Potenzial einstelle, auch wenn sie anfangs schwächer wirken, profitiere langfristig mehrfach. Diese jungen Menschen seien dankbar für eine Chance. «Glaubt man an sie und wartet geduldig, bis die Knöpfe aufgehen, löst das oft einen enormen Motivationsschub aus», sagt Heiniger. Schwächere Lernende mit Potenzial seien später häufig besonders loyal und mit Freude im Beruf tätig, während die Starken oft rasch weiterzögen.
Die Entscheidung, ob Lernende bleiben oder gehen, hängt aber nicht nur vom ersten Eindruck ab. Heiniger nennt als häufige Abwanderungsgründe mangelnde Wertschätzung, fehlende Perspektiven, ein ruppiges Klima oder zu wenig Raum für Spass.
Reinen Wein einschenken
Ein weiterer Punkt seines Konzepts: Lernende selbst aktiv ins Recruiting einzubinden. Sie kennten den Betrieb aus nächster Nähe und wüssten, wer ins Team passt. «Lernende, die Fans von ihren Lehrbetrieben sind, schenken Schnuppernden reinen Wein ein. Das schafft Authentizität und Vertrauen.» Gleichzeitig steigere die Einbindung das Verantwortungsgefühl und die Motivation der bestehenden Lernenden. Am Ende lässt sich festhalten: Wer im Autogewerbe Lernende gewinnen und halten will, muss Beziehungen pflegen – mit Aufmerksamkeit und Geduld, wahrer Wertschätzung und einer Betriebskultur, die junge Menschen ernst nimmt.