«Bereits die Teilnahme ist ein Gewinn»
Der Lohn der Mühen, all der Vorbereitung und der Anspannung könnte attraktiver kaum sein: Der EuroCup ist nicht nur ein Event, an dem Talente mehrerer Länder unter internationalen Wettbewerbsbedingungen besonders intensiv miteinander trainieren: Der Schweiz dient er als Qualifikation für das begehrte Ticket an die Berufsweltmeisterschaften WorldSkills, diesmal vom 22. bis 27. September 2026 im chinesischen Shanghai. Zehn Automobil-Mechatroniker (acht Fachrichtung PW, zwei Fachrichtung NFZ) aus drei Ländern wetteiferten dazu am 13. Dezember um die Krone des besten Automobil-Mechatronikers, Fachrichtung PW.
Der EuroCup (nicht zu verwechseln mit der Berufseuropameisterschaft EuroSkills) findet stets in einem der drei bis fünf Teilnehmerländer statt. Diesmal sendeten die nationalen Verbände des Autogewerbes aus Deutschland und Italien (Südtirol) ihre grössten Talente zum Partnerverband AGVS in die Mobilcity in Bern, wo der EuroCup zuletzt 2018 gastiert hatte. Am Samstagmorgen gehen aus Deutschland drei, aus Italien (Südtirol) drei Kandidaten an den Start – und aus der Schweiz Lars Hayoz (Bonnefontaine FR, SwissSkills-Silber 2025), Janik Schumacher (Hergiswil bei Willisau LU, SwissSkills-Gold), Evan Pauchard (Ponthaux FR, Schweizermeister Fachrichtung NFZ der SwissSkills) und Lukas Portner (Uebeschi BE, 4. Platz SwissSkills).
Los geht’s: In zwei Hallen an zehn Prüfungsposten dominieren Diagnostik-Challenges. An einem Fahrzeug will etwa ein Defekt am Luftfederungssystem («Kompressor heiss»), an einem anderen eine Störung des Automaten («Problem beim Hochschalten») gefunden sein. Die Posten sind vom Team um Markus Schwab (Leiter Automobiltechnik & Prüfungen beim AGVS) so gestaltet, dass alles zu schaffen fast unmöglich ist: In Slots von 35 Minuten wird absolviert, womit im Werkstattalltag ein halber oder ganzer Tag vergeht – um die Besten der Besten zu finden. Die Gesichter der Kandidaten sprechen Bände: mal selbstsichere Gewissheit, mal pure Verzweiflung. Als Experten dabei: 17 Fachleute der drei Länder, darunter Schweizer SwissSkills-, EuroSkills- und WorldSkills-Cracks wie Sophie Schumacher (Gold WorldSkills 2024, Fachrichtung NFZ).
Gibt es für die Expertinnen und Experten noch Überraschungen? «Ja. Jeder findet einen neuen Fehler, den man machen kann», sagt Sophie Schumacher schmunzelnd und fügt an: «An Wettbewerben ist das so.» Was zeichnet Sieger aus? «Überlegen macht überlegen!», so Experte Michel Tinguely. Riet Bulfoni, Ex-WorldSkills-Teilnehmer, der das WorldSkills-Training des Siegers leiten und als Experte mitreisen wird, betont: «Begeisterung ist wichtig.» Wieso investiert Bulfoni seine Freizeit? «Ich will etwas zurückgeben – den Talenten und dem AGVS. Und wir können nicht immer nur über Fachkräftemangel klagen, aber nichts tun.»
Bei aller Spannung ist die Stimmung locker. Es herrscht ein Geist «des Miteinanders statt Gegeneinanders», resümiert Olivier Maeder, Geschäftsleiter Bereich Bildung des AGVS. Experte Jörg Stotz aus Deutschland stimmt zu und lobt zudem: «Wir fühlen uns hier sehr gut aufgehoben.» Am späten Nachmittag endet der letzte Prüfungs-Slot. Schwab läutet die Schlussglocke. Applaus – die Probanden wischen sich Schweiss aus den Gesichtern. Später zur Siegerehrung dankt Maeder zuerst den Kandidaten, Expertinnen und Experten und dem AGVS-Team für das Engagement – und begrüsst extra angereiste Verwandten der Prüflinge. Dann kommt die Siegerehrung: Ein Deutscher und zwei Schweizer werden zum Podest gerufen. Die Spannung steigt: Einer wird gewinnen. Dann verrät Maeder: Platz 3 geht an Lars Hayoz aus Bonnefontaine FR, Platz 2 an Hannes Wirsing aus Deutschland – und Platz 1 an Janik Schumacher aus Hergiswil bei Willisau LU. Übrigens: Unter den fünf EuroCup-Besten sind gleich drei der Schweizer, darunter auch Lukas Portner.
Janik Schumacher (übrigens nicht verwandt mit Expertin Schumacher) bringt als SwissSkills-Sieger beste Voraussetzungen für die WorldSkills mit. Der 20-jährige Automobil-Mechatroniker EFZ arbeitet in der Touring Garage AG in Huttwil BE, und seine Eltern betreiben in Hergiswil bei Willisau die Napf-Garage GmbH. «Als SwissSkills-Sieger stand ich ein wenig unter Erfolgsdruck», sagt Janik Schumacher. «Heute dachte ich nicht, dass es klappt. Ich bin erleichtert – und stolz, die Schweiz an den WorldSkills vertreten zu dürfen.» Weshalb engagiert er sich? «Aus Berufsstolz! Und was du hier lernst, kannst du nirgends kaufen. Deshalb ist der Sieg nicht entscheidend: Bereits die Teilnahme ist ein Gewinn.» Sein Erfolgsgeheimnis? «Ruhig bleiben! Wirst du nervös, ist es vorbei.» Nun beginnt für ihn die WorldSkills-Trainingsphase voller dafür zu opfernder Freizeit.
«Der EuroCup ist ein exzellentes Training für die WorldSkills, bei dem die Kandidaten einander anfeuern und anregen, ihr Bestes zu geben», bilanziert Olivier Maeder. «Und es ist auch eine einmalige Gelegenheit, sich auszutauschen: Wir sind im Wettbewerb ja Gegner, aber keine Feinde. Im Gegenteil: Unser gemeinsames Engagement schweisst zusammen, und der EuroCup ist ein gutes Beispiel, wie attraktiv die Autoberufe für junge Menschen sind.» Siehe den Apéro nach der Siegerehrung: Wir hören internationalen Smalltalk, viele Fachgespräche – und es dürfte hier einmal mehr manch länderübergreifende Freundschaft entstanden sein.