«Klar brauche ich einen Garagisten!»
Bald heizt der am Genfersee wohnhafte, neunfache Rallye-Weltmeister Sébastien Loeb an der härtesten Marathonrallye der Welt, der Rallye Dakar, wieder durch den Wüstensand Saudi-Arabiens. Mit dem Team der Dacia Sandriders will der 51-Jährige sich vom 3. bis 17. Januar 2026 auf den rund 5000 Kilometern Wertungsprüfungen und 8000 Kilometern insgesamt endlich den ersten Dakar-Gesamtsieg sichern und so sein illustres Motorsport-Palmares ergänzen. Bevor Loeb mehrheitlich mit Vollgas im Rallye-Boliden mit dem 3-Liter-V6-Twinturbo mit 265 kW/360 PS und 539 Nm um den Titel bei der 48. Dakar-Ausgabe kämpft, setzte er sich kurz ans Steuer herkömmlicher Dacia-Modelle und fühlt auf dem Offroadparcours im TCS-Zentrum Betzholz ZH dem Duster und dem neuem Bigster auf den Zahn.
Die perfekte Gelegenheit, um mit der Rallye-Legende über kommende Herausforderungen, Dakar-Vorbereitungen, Anforderungen an einen guten Mechatroniker oder auch seinen Garagisten zu sprechen. Oder braucht Sébastien Loeb überhaupt einen Garagisten? Schliesslich muss er bei einem Defekt während der Etappe ja selbst Reparaturen am Sandrider vorzunehmen? «Klar brauche ich einen Garagisten! Ich kann zwar eine Spurstange, einen Dämpfer wechseln oder an der Aufhängung arbeiten, aber sobald es um elektronische Themen geht, muss ein Fachmann ran. Der Motor beim Sandrider ist zudem gut geschützt in einem Karbongehäuse untergebracht. Daran etwas zu richten, ist also kompliziert», erläutert der gelernte Elektriker. «Ich verlasse mich auch privat auf die Kompetenz eines Garagisten. Es sind sogar mehrere, die sich um meine verschiedenen Fahrzeuge kümmern. Und ich komme mit all meinen Garagisten sehr gut aus, weil wir uns die gleiche Leidenschaft teilen und Autos lieben.»
Welche Ansprüche hat ein neunfacher Weltmeister an den Kundenservice einer Garage? Loeb schmunzelt und meint: «Dass es schnell geht und dass der Service gut ist. Da ich fast keine ältere Autos fahre, habe ich aber eh selten Probleme. Ich besitze immer mindestens einen Supersportwagen. Aktuell einen Ferrari, das nächste wird wohl ein Lamborghini sein», zählt der Auto-Enthusiast auf. Auch ein Renault R5 Turbo und ein Alpine A110 GT+, mit der an der Rallye du Chablais teilnahm, steht in seiner Garage genauso wie mehrere Porsche-Modelle. «Ich fahre ziemlich viel Porsche, weil das ein Sportwagen ist, den man jeden Tag benutzen kann.» Kein Wunder, kommt er neben seinem französischen Kollegen, bei dem er immer wieder Autos kauft, auch gut mit Alexandre Mottet, dem Direktor von Porsche Genf, aus. «Die sind sehr flexibel, holen einen Wagen auch mal bei mir ab. Zudem macht es immer wieder Spass durch den Genfer Showroom zu schlendern und die Fahrzeuge zu bewundern – auch die Klassiker, weil sie einfach schön sind», erläutert der 51-Jährige.
Und was ist dem Rallye-Champion an der Arbeit eines Mechatronikers wichtig? «Ich muss mich, bei der Dakar oder auch im Alltag, zu 100 Prozent auf seine Arbeit verlassen können. Daher ist für mich Vertrauen entscheidend. Startet man irgendwo in der saudi-arabischen Wüste zu einer Etappe, muss ich als Fahrer darauf vertrauen können, dass alle Schrauben richtig angezogen sind und meine Crew ihre Arbeit gut gemacht hat. Das ist auch beim Garagisten so, wenn ich dort vom Hof fahre», macht der aktuelle Rally-Raid-Pilot fürs Dacia Sandriders Team klar.
Was ist denn das Wichtigste an seinem Sandrider, der ja extra zusammen mit Rallye-Raid-Piloten entwickelt wurde. «Wichtig ist vor allem der maximale Federweg, beim Sandrider sind es 35 Zentimeter, und dass der Motor für eine gute Balance so zentral wie möglich untergebracht werden konnte», erläutert Loeb. Ausserdem hätten sich die Co-Piloten bei früheren Fahrzeugen oft über die eingeschränkte Sicht beschwert. «Daher haben wir nun die Windschutzscheibe so gross wie möglich konzipiert, schliesslich müssen wir uns da draussen ja ohne GPS orientieren und kriegen erst kurz vor dem Start, die Infos über welche Wegpunkte wir von A nach B fahren müssen.»
Inputs der drei erfahrenen Rallye-Piloten Sébastien Loeb, Cristina Gutierrez Herrero und Nasser Al-Attiyah haben die Dacia-Ingenieure übrigens auch bezüglich der Positionierung des Auspuffs am Sandrider berücksichtigt. «Der war oft seitlich. Die heisse Luft traf dann auf die Hinterreifen – nicht ideal, daher ist er nun im Heck. Und bezüglich Reifenwechsel haben wir die Position der rund 45 Kilo schweren 37-Zoll-Ersatzräder so gewählt, dass wir das in etwas über einer Minute schaffen, samt Festzurren des kaputten Rads. Das müssen wir ja mitnehmen, sonst gibt’s Strafpunkte», erläutert der 51-Jährige. «Bei der Dakar gehört Reifenwechsel einfach dazu, darum gilt es hier möglichst wenig Zeit zu verlieren.»
Loeb lässt den Blick über den 4,14 Meter langen und 2,29 Meter breiten Boliden schweifen: «Es ist schon ein recht grosser Wagen, aber eben auch extrem agil, das ist im Rallye-Raid enorm wichtig.» Wie kommt er eigentlich mit der Wüstenhitze im trotz allem engen Innern klar? «Ohne Klimaanlage ist der Sandrider nicht fahrbar. Es wird auch so rund 45 Grad warm im Cockpit, aber daran gewöhnt man sich. Bei den ersten Tests in Marokko gabs noch Probleme, da stieg die Temperatur deutlich darüber, selbst mit offenen Fenstern und Fahrtwind.» Für den Dakar-Einsatz hofft er, dass nun alle Probleme an seinem Dacia ausgemerzt sind und er voll attackieren kann. «Bislang gab es immer einen Tag an der Dakar, der mich aus der Bahn warf», sinniert der Wahlschweizer. «Ich habe schon viele Sonderprüfungen gewonnen, stand fünfmal auf dem Dakar-Podest, hatte den Rhythmus für den Gesamtsieg, doch dann gabs Mechanikprobleme, dann verletzte sich mein Beifahrer oder dann wurde ich letztes Jahr nach dem Überschlag und verbogenem Überrollkäfig disqualifiziert. Der Sandrider ist ready, wir sind es auch; nun hoffe ich, das im Januar alles zusammenpasst.»