Schweizer Autobranche unter Druck

Trumps Zölle sind nur ein Teil des Problems

Ein Traditionsunternehmen bricht zusammen, andere merken kaum etwas: Die US-Strafzölle zeigen, wie unterschiedlich die Schweizer Autoindustrie aufgestellt ist. Doch die eigentlichen Sorgen der Branche liegen tiefer.
Publiziert: 12. Dezember 2025

Von

Kai Müller


										Trumps Zölle sind nur ein Teil des Problems
Produziert für den US-Markt direkt vor Ort: Autoneum ist nur begrenzt von Trumps Zöllen betroffen. Foto: Autoneum

Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte – und damit eine ganze Region traf: Im Oktober kapitulierte die K. R. Pfiffner AG in Utzenstorf BE vor Trumps Zollpolitik. Die 39 Prozent, welche die USA ab August auf Importe aus der Schweiz erhoben hatten, waren für die Maschinenbauerin, die vorwiegend für die Autoindustrie fertigt, schlicht nicht mehr zu stemmen. Die Unberechenbarkeit der US-Handelspolitik zwang die Firmenleitung zu einem drastischen Entscheid: Produktion einstellen, rund 80 der über 100 Jobs streichen und den Fokus künftig auf Forschung und Entwicklung legen.

Was sich im Bernbiet abspielt, zeigt exemplarisch, welche Folgen die Launen des US-Präsidenten haben können. Die Zölle allein bringen ein Unternehmen zwar kaum zu Fall – bei Pfiffner war der Absatz schon seit Jahren rückläufig, nicht zuletzt wegen des Wandels zur Elektromobilität. Doch im Markt, der seit längerem unter strukturellen Problemen leidet, können zusätzliche Kosten dann wie ein Beschleuniger wirken.

Die Schweizer Autozulieferer exportieren zwar relativ wenig direkt in die USA, aber den grössten Teil ihrer Produktion nach Deutschland – und hängen damit von der dortigen Nachfrage ab. Bricht der Autoabsatz ein, geraten auch Schweizer Zulieferer unter Druck. In der Schweiz gibt es in der öffentlich fast unsichtbaren Autozulieferbranche fast 600 Unternehmen mit 32'000 Beschäftigten. Zusammen erwirtschaften sie jährlich rund 13 Milliarden Franken – etwa halb so viel wie die Uhrenindustrie.

 

Kahlschläge in der Ostschweiz

Im zu Ende gehenden Jahr gerieten neben Pfiffner auch andere Schweizer Zulieferer ins Straucheln. Allerdings nicht nur wegen der US-Zölle, sondern vor allem wegen der allgemeinen Schwäche der Autobranche. Die Mubea Präzisionsstahlrohr AG in Arbon TG, die letzte Stahlrohrfabrik des Landes, strich im Frühling 140 Stellen. Im Herbst folgte der nächste Einschnitt: Die Produktion wird schrittweise heruntergefahren und im ersten Halbjahr 2026 ganz eingestellt. Von 280 Mitarbeitenden bleiben rund 35 bis 40 übrig. 

Auch bei Thyssenkrupp Presta, einem wichtigen Hersteller von Präzisionskomponenten für die Autoindustrie, ist die Lage ernst. Bis nächsten Herbst baut das Unternehmen an den Standorten Oberegg AI und Eschen FL rund 570 Stellen ab.

 

Es gibt auch Lichtblicke

Es kommt derzeit viel zusammen. Anja Schulze, Professorin für Mobilität und digitales Innovationsmanagement an der Universität Zürich, ordnet ein: «Der Wandel zur Elektromobilität, die Verschiebung der Märkte, auch weil China lieber selbst produziert, die weltpolitische Lage und Entwicklungen, die die Deutschen verschlafen haben – momentan ist alles etwas schwierig.» Die Direktorin von Swiss CAR, die als beste Kennerin der Branche gilt, fügt an: «Die Zölle haben sicher nicht geholfen, dieses Bild zu verbessern.»

Es gibt aber auch Lichtblicke. So zermürbend die globale Wirtschaftslage ist – immerhin gehen die US-Zölle an einigen Schweizer Zulieferern fast spurlos vorbei. Autoneum aus Winterthur ZH, der weltweit führende Hersteller von Akustik- und Hitzeschutz für Fahrzeuge, teilt auf Anfrage mit: «Wir spüren so gut wie keine Auswirkungen, weil wir in den USA breit aufgestellt sind.» Das Unternehmen produziere für den US-Markt vor Ort und importiere «so gut wie gar nichts» dorthin.

 

Nähe zum Markt zahlt sich aus

Wer diese sogenannte «Local-for-local»-Strategie verfolgt, also nahe bei den Abnehmern produziert, kann die Folgen der Zölle gut abfedern. Firmen wie Feintool (Hersteller hochpräziser Metallteile) oder Komax (Weltmarktführer in der automatisierten Kabelverarbeitung) meldeten bereits im Frühjahr nach Trumps Zollankündigung, dass sie dank ihrer globalen Präsenz nicht direkt betroffen seien. 

Ähnlich klingt es bei mehreren grossen Automarken. Bei BMW Schweiz sagt Corporate-Communications-Director Sven Grützmacher: «Das weltweit grösste Werk der BMW-Gruppe steht in Spartanburg, South Carolina. Wir sind wertmässig der führende Autoexporteur der USA. Das hilft uns natürlich sehr. Es heisst aber nicht, dass wir die Auswirkungen der Zölle gar nicht spüren, weil wir auch Fahrzeuge in die USA importieren, die nicht dort produziert werden – zum Beispiel die klassischen Limousinen.» Für die Schweiz aber bleibe alles ruhig: Die Zölle betreffen BMW USA, nicht den hiesigen Markt.

Auch Volkswagen Schweiz gibt Entwarnung. Kommunikationsleiter Christian Frey sagt: «Da die Marke Volkswagen eine eigene bestehende Produktion in den USA hat, haben diese Zölle wenig Einfluss. Entsprechend spüren wir auch keinen Impact auf unser Schweizer Geschäft.»

 

Engpässe im Aftermarket

Bei Swiss Automotive Aftermarket (SAA), dem Verband der Schweizer Garagenzulieferer, ist man zuerst einmal «erleichtert über die Beilegung des Zollstreits mit den USA». Mitte November hatte Washington angekündigt, die Strafzölle auf Schweizer Importe von 39 auf 15 Prozent zu senken. Damit ist die Exportwirtschaft gegenüber Konkurrenten aus dem EU-Raum nicht mehr benachteiligt. Der SAA betont jedoch: «Importeure und Händler unterliegen vorwiegend den generell anspruchsvollen Rahmenbedingungen. Die Zölle sind hier einer von mehreren Faktoren.»

Die angespannte Wirtschaftslage trifft besonders Elektronikteile – weniger wegen der US-Zölle selbst, sondern wegen der chinesischen Gegenmassnahmen. Chinesische Hersteller, die grosse Elektronikwerke in Europa betreiben, haben ihre Preise erhöht oder die Produktion vorübergehend gedrosselt. Das führt im Schweizer Aftermarket zu spürbaren Engpässen. Für Garagen ist dies derzeit wohl der Bereich, in dem globale Handelskonflikte am stärksten durchschlagen.

Der Druck zeigt sich auch bei der Kundschaft. Markus Aegerter, Geschäftsleitung Branchenvertretung des AGVS, erklärt: «Schweizer Garagisten bekommen die Auswirkungen der Zölle vor allem indirekt zu spüren: In Regionen, in denen exportorientierte Branchen wie die Uhren- oder Maschinenindustrie unter starkem Kostendruck stehen, zeigt sich eine spürbare Zurückhaltung bei der Anschaffung neuer Fahrzeuge.»

Ob Zulieferer, Automarken oder der Schweizer Aftermarket: Die Beispiele zeigen, dass die US-Zölle allein kaum jemanden zu Fall bringen. Bei einigen Unternehmen verstärken sie aber eine bereits laufende Abwärtstendenz, während andere kaum direkte Auswirkungen spüren. Professorin Schulze bleibt trotz der herausfordernden Gesamtlage «vorsichtig optimistisch». Wieso? «Weil die Schweiz seit 15 Jahren in Folge beim Global Innovation Index auf Platz 1 rangiert.»

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