Vertrauen schaffen gegen das Tief

Warum der Markt für Elektro-Occasionen stockt

Der Markt für Elektro-Occasionen kommt trotz wachsendem Angebot und sinkender Preise nicht in Fahrt: Strukturelle Hürden und Unsicherheiten seitens der Käuferschaft bremsen. Ein Statusbericht, woran es liegt, wie Garagen das Vertrauen stärken können und was sich politisch dazu tut.
Publiziert: 25. August 2025

Von

Ilir Pinto


										Warum der Markt für Elektro-Occasionen stockt
Obwohl das Angebot an gebrauchten Stromern wächst und diese eigentlich eine gute Einstiegsoption in die Elektromobilität darstellen, stockt der Elektro-Occasionsmarkt. Foto: iStock

Während der Occasionsmarkt insgesamt stabil ist, haben es gebrauchte Elektroautos zurzeit schwer: Die Preise sinken, die Standzeiten sind hoch, und es besteht noch grosse Unsicherheit seitens der Konsumentinnen und Konsumenten. Obwohl das Angebot an gebrauchten Stromern wächst und diese eigentlich eine gute Einstiegsoption in die Elektromobilität darstellen, stockt der Markt. Medienberichte in diesem Frühjahr – unter anderem von «Blick» und SRF – führen die Situation vor Augen (und bestärken die Kaufzurückhaltung wohl eher noch): Laut Autoscout24 sanken die Preise für E-Occasionen von Januar bis April 2025 im Vergleich zum Vorjahr um zwölf Prozent.

Ein Grund dafür ist die schnell voranschreitende technologische Entwicklung. Mit jedem neuen E-Modell verbessern sich Reichweite und Ladezeiten. Und das bei tendenziell attraktiveren Neuwagenpreisen. Das wirft natürlich Fragen auf: Wie zukunftsfähig ist der Kauf eines gebrauchten Elektroautos? Soll ich wirklich bereits zum E-Auto greifen oder eher noch abwarten? Und: Wie gesund ist die Batterie? Dabei entpuppen sich Sorgen um den Akku meist als unbegründet. Eine Studie der Unternehmensberatung P3 zeigt: Selbst nach 200’000 oder 300’000 Kilometern verfügen Akkus im Schnitt noch über rund 87 Prozent ihrer Kapazität – und sind dann ja nicht defekt, sondern lediglich die maximale Reichweite ist geringer. Hier setzen Batterietests und -zertifikate an, die den «State of Health» (dt. «Gesundheitszustand») von Hochvolt-Batterien attestieren. Doch bleibt noch einiges zu tun, um das Vertrauen der Kundschaft für Elektro-Occasionen zu gewinnen.

 

Der AGVS zur aktuellen Lage

«Viele Menschen vergleichen E-Auto-Batterien mit den Akkus in ihren Handys oder Laptops», sagt Markus Aegerter, Mitglied der AGVS-Geschäftsleitung und verantwortlich für den Bereich Branchenvertretung. Dabei handle es sich um eine deutlich fortschrittlichere Technologie, beispielsweise verfügen Batterien von E-Fahrzeugen über ein aktives Temperaturmanagement und die Zellspannungen werden überwacht. Und: «Auch wenn ein Elektroauto über Jahre hinweg täglich genutzt wird: Die Batterie bleibt in der Regel in einem sehr guten Zustand.» Einzelfälle mit zu schnell abnehmender Kapazität gebe es natürlich – aber diese seien selten und träten meist noch innerhalb der Garantiezeit auf. Der Batteriezustand lasse sich heute verlässlich prüfen. Trotzdem gebe es in der breiten Öffentlichkeit oft noch Skepsis. Diese sei mitverantwortlich für die langen Standzeiten. Hinzu kämen strukturelle Hürden, allen voran die mangelhafte Ladeinfrastruktur für Mietende. Gerade bei Occasionskäufen wird das zur entscheidenden Hürde. Zwar haben National- und Ständerat jüngst ein «Recht auf Laden» beschlossen – doch bis zur Umsetzung wird es dauern.

Dadurch entsteht eine beinahe absurde Situation: Elektro ist der Antrieb der Zukunft, die Auswahl an E-Occasionen ist breit, die Preise sind günstig – aber niemand kauft sie. Aus Garagensicht ein Problem: Die günstigen Preise gehen zulasten der Betriebe. Der Wertverlust ist teils massiv, vor allem bei Premiummodellen. Aegerter nennt ein Beispiel: «Einen Porsche Taycan bekommt man heute nach drei Jahren zum halben Preis.» Nichtsdestotrotz, und auch dies schreckt potenzielle Käuferschaft ab: Auch als Occasion sind EVs oft noch teurer als vergleichbare Verbrenner.

«Viele Menschen vergleichen E-Auto-Batterien mit den Akkus in ihren Handys – dabei handelt es sich um eine deutlich fortschrittlichere Technologie.»

Markus Aegerter, Mitglied der AGVS-Geschäftsleitung und verantwortlich für den Bereich Branchenvertretung

Vorurteile sind meist unbegründet

Für Markus Peter, Leiter Technik & Umwelt beim AGVS, ist klar: Moderne Hochvolt-Batterien sind robuster als allgemein angenommen. «Die meisten Fahrzeuge weisen auch nach zehn Jahren noch rund 90 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität auf», so Peter. Das Temperaturmanagement sorge dafür, dass sich Batterien weder überhitzen noch unterkühlen. «Der Idealbereich liegt bei 20 bis 25 Grad Celsius. Dauerhaft höhere Temperaturen können die Lebensdauer verkürzen.» Dieses Risiko werde durch aktive Kühlung verringert. Verluste bei der Kapazität träten eigentlich vor allem dann auf, wenn regelmässig unter ungünstigen Bedingungen geladen wird. «Stetes Schnellladen kann die Alterung beschleunigen, vor allem bei bestimmten Zelltypen », erklärt Peter. Aber: Selbst dann bleibe die Kapazität in vielen Fällen bei mindestens noch 80 Prozent. Auch der Reichweitenverlust bei tiefen Temperaturen habe nichts mit Alterung zu tun: «Bei Kälte kann die Batterie nicht ihre volle Leistung entfalten – das ist aber temporär und nicht schädlich.»

Wichtig sei, dass Garagistinnen und Garagisten mit diesem Wissen kompetent umgingen – und es an die Kundschaft weitergeben. Eine Möglichkeit, Vertrauen zu schaffen, sieht Peter etwa in den Batterietests. Diese könnten beispielsweise im Rahmen eines Services oder vor dem Verkauf eines Fahrzeugs durchgeführt werden. Zwar handle es sich dabei immer um eine Momentaufnahme, doch «der Test gibt den Kundinnen und Kunden Sicherheit und der Garage ein Verkaufsargument».

«Die meisten Fahrzeuge weisen auch nach zehn Jahren noch rund 90 Prozent ihrer ursprünglichen Batteriekapazität auf.»

Markus Peter, Leiter Technik & Umwelt beim AGVS

Garagisten über die Praxis

Was sagen Garagisten aus der Praxis dazu? Albin Rüger von der Auto Rüger Gruppe in Meiringen BE, die unter anderem Skodas und VWs verkauft, sieht die Elektromobilität als Chance und hat sein Unternehmen entsprechend aus- und aufgerüstet. Dazu gehört auch ein eigenes Hochvolt-Kompetenzzentrum für die Revision von Batterien. «Elektrofahrzeuge ziehen in erster Linie Neuwagenkundschaft an. Bei den Occasionen gibt es deutlich mehr Skepsis», sagt Rüger. Fadel Bouhouch von der Züri Garage AG in Zürich, einem Bosch Car Service-Betrieb, meint: «Es gibt zwar eine solide Grundnachfrage – aber dies vor allem, wenn der Batteriezustand nachvollziehbar dokumentiert ist. Ältere Fahrzeuge, bei denen ein Batteriezertifikat fehlt oder nicht erstellt werden kann, tun sich deutlich schwerer im Verkauf.» Daher bietet Bouhouch mit einem Partner eine Carsharing-Lösung für gebrauchte Stromer. So sollen Wertverluste durch zusätzliche Nutzungserlöse abgefedert werden. Bei solchen Fahrzeugen helfe ein Batterietest. «Wir beziehen unsere Kundinnen und Kunden aktiv in den Testprozess ein», so Bouhouch. Das schaffe Vertrauen.

«Es gibt zwar eine solide Grundnachfrage – aber dies vor allem, wenn der Batteriezustand nachvollziehbar dokumentiert ist.»

Fadel Bouhouch, Züri Garage AG in Zürich

Beide Garagisten sehen Batteriezertifikate und -tests als wichtige Instrumente, um die Unsicherheit beim Occasionskauf zu reduzieren. Kurztests sind wenig aufwändig und liefern bereits genug, um eine erste Orientierung zu geben. Bei Bedarf kann ein ausführlicher Test gemacht werden. Je nach Testanbieter wird die Batterie dazu während der Fahrt und/oder beim (kompletten) Ladevorgang bewertet und benötigt dafür entsprechend mehr Zeit. Albin Rüger liefert das Zertifikat bei seinen Elektro-Occasionen mit. Regelmässige Batteriechecks vor Ablauf der Batterieherstellergarantie sieht Rüger als Chance: «Das bringt die Kundschaft in die Werkstatt zurück – und gibt ihr ein gutes Gefühl. » Beide Garagisten berichten von hohen Abschreibungen, langen Standzeiten und der Notwendigkeit, Fahrzeuge mit «scharfen» Preisen anzubieten – teils an der Grenze zur Rentabilität. «Der Händler trägt das betriebswirtschaftliche Risiko, vor allem bei Leasingrücknahmen», sagt Rüger. Umso wichtiger seien gezielte Massnahmen, die Vertrauen schaffen und somit das Risiko abfedern.

«Elektrofahrzeuge ziehen in erster Linie Neuwagenkundschaft an. Bei den Occasionen gibt es deutlich mehr Skepsis.»

Albin Rüger, Auto Rüger Gruppe in Meiringen BE

Beim Bundesamt an einem Tisch

Auch auf politischer Ebene wird das Thema Elektro-Occasionen zunehmend ernst genommen. Jean-Marc Geiser, Mobilitätsspezialist beim Bundesamt für Energie (BFE), berichtet, dass erste Impulse dazu aus einem Gespräch mit dem AGVS gekommen seien. «Markus Peter hat uns auf die spezifischen Herausforderungen im Occasionsbereich aufmerksam gemacht», sagt Geiser. Daraus sei die Idee entstanden, diese Fragen im Rahmen der Roadmap Elektromobilität des Bundes vertieft zu behandeln – gemeinsam mit allen Akteuren der Branche. So fand im Oktober 2024 ein erster Leuchtturm-Gastworkshop statt, bei dem Vertreterinnen und Vertreter von Garagenbetrieben, AGVS, Auto-Schweiz, AutoScout24, auto-i-dat, TCS und weiteren Organisationen zusammenkamen. «Wir stellten schnell fest: Es gibt viele Fehlinformationen und einen Mangel an Vertrauen, die den Markt bremsen», erläutert Geiser.

Eine Workshop-Arbeitsgruppe legte die drei wichtigsten Prioritäten fest: Zentrale und zuverlässige Informationen über gebrauchte Elektroautos bereitstellen, emotionale und psychologische Kaufbarrieren abbauen und «Narrativ verändern» durch positive Erfahrungsberichte über gebrauchte Elektrofahrzeuge. Vor diesem Hintergrund wurden die zentralen Handlungsfelder identifiziert: Pricing, Batterie, Markt und Fahrerlebnis. Daraus wurden erste Kernbotschaften formuliert, die sowohl aufklären als auch neugierig machen sollen. «Jeder Akteur kann daraus ableiten, was er braucht – ob Infografiken, Flyer oder Schulungsunterlagen. Wir prüfen im Bedarfsfall, wie wir konkret unterstützen können», so Geiser. Ein weiteres Thema: Batterie-Anschlussgarantien. «Im Oktober wollen wir im Rahmen eines weiteren Workshops eine Arbeitsgruppe starten, die sich damit befasst, wie Garagistinnen und Garagisten gestärkt werden können», sagt Geiser. Ziel sei es, ein praktisches Instrument an die Hand zu geben, «sofern Akteure wie beispielsweise Versicherer daran interessiert sind, diese Art von neuen Dienstleistungen zu entwickeln», so Geiser.

«Wir stellten schnell fest: Es gibt viele Fehlinformationen und einen Mangel an Vertrauen, die den Markt bremsen.»

Marc Geiser, Mobilitätsspezialist beim Bundesamt für Energie (BFE)

Der Markt für gebrauchte Elektroautos brauche klare Botschaften, die mit Vorurteilen aufräumen. Genau hier setzen die vier Kernbotschaften an, die definiert wurden: «Occasion-E-Autos: Viel Auto zum fairen Preis», «Batterien leben länger als du denkst», «In der Schweiz findest du mehr Ladestationen als Tankstellen … und es werden immer mehr» sowie «Strom können wir herstellen, Öl müssen wir importieren. Fahr mit Schweizer Strom.» Vier Aussagen, die den Weg zu mehr Akzeptanz ebnen und zeigen sollen, dass auch bei den Occasionen die Zukunft des Autos eine elektrische ist.

Dies könnte Sie auch interessieren

Alle News