Amag-Betriebe reduzieren Emissionen mit Axalta - André Koch

Wieso Nachhaltigkeit ­wichtiger wird

Grün sein ist im Autogewerbe noch nicht überall sexy. Aber die Umsetzung der CO2-Vorgaben aus dem neuen Energiegesetz sorgt dafür, dass man im K&L-Bereich Emissionen – ob direkt oder indirekt – einzusparen ­versucht. Stippvisite bei einem Vorzeigebetrieb.
Publiziert: 01. Dezember 2025

Von

Jürg A. Stettler


										Wieso Nachhaltigkeit ­wichtiger wird
Reto Gut, Geschäftsführer der Amag-Betriebe Wettswil (links), und Volker Wistorf, Leiter Technik bei Axalta – André Koch, vor einem an der Luft trocknenden VW ID.3. Fotos: AGVS-Medien

Viele Autofahrer fahren wohl am Herzstück der Amag Wettswil am Albis ZH vorbei. Zwar sieht man von der Durchgangsstrasse aus die Showrooms der verschiedenen Marken, doch das eindrückliche Carrosserie-Center liegt auf der anderen Strassenseite, weiter hinten im Industriegebiet. Hier konnte die Amag ab 2019 auf der grünen Wiese ihren Masterplan von einem Carrosseriebetrieb umsetzen, in dem die Abläufe stimmen und sich Spengler und Lackierer trotz lediglich einer Lackierkabine pro Zone nicht durch ständiges Rangieren behindern und die Querverschiebung der Fahrzeuge optimal funktioniert. «Die Idee war, dass wir in einer Industriehalle auf einer Breite von knapp 26 Metern und einer variablen Länge die Arbeitsplätze optimal platzieren und die idealen Schlepp- und Rangierkurven von einem Arbeitsplatz zum nächsten gewährleisten», führt Reto Gut, Geschäftsführer der Amag-Betriebe Wettswil, aus. Entstanden ist ein topmodernes, mit Licht durchflutetes Arbeitsumfeld für rund 50 Mitarbeitende. «Wir haben ein Verhältnis von etwa 1:1 zwischen Spenglern und Lackierern, und wir gehören zu den offiziellen Body-Shop-Partnern von Tesla», erläutert Gut. «Neben spezieller Infrastruktur sind dafür ebenfalls der geschulte Umgang mit Aluminium und Hochvoltfahrzeugen entscheidend. Und auch die Fahrzeuge von Lucid können wir hier übrigens verarbeiten.» Jede Woche werden in Wettswil gegen 100 Carrosserie-Instandstellungen und 50 Aufbereitungen auf höchstem Niveau erledigt.

 

Jeder Arbeitsplatz mit Lift

Wir schreiten an den einzelnen Arbeitsplätzen vorbei: links Montage, rechts Spenglerei, logischerweise samt topmoderner Richtbank für die heftigeren Schäden. Weiter geht’s in die Zone der Lackiererei. Links wird fleissig geschliffen, rechts der Vorbereitungsplatz, dann die Lackierkabine und die Plätze für den Finish. Was sofort auffällt: Jeder Arbeitsplatz ist mit einem Lift ausgestattet – und zwar einem im Boden versenkbaren. «Der Raum und somit die Arbeitsabläufe sollten nicht durch Lifte und Säulen beeinträchtigt werden», so Gut. Zudem sind überall Absauganlagen installiert. Jeder Arbeitsplatz hat einen Hub mit allen Arbeitsutensilien und Anschlüssen, die ein Mitarbeitender braucht, von Strom über Staubsauger bis Polier- und Schleifgerät, alles vorhanden und so installiert, dass sich das Kabel oder der Luftschlauch danach wieder – wie beim Staubsauger zu Hause – einziehen lässt. Jeder Arbeitsplatz ist ausserdem mit einem Rollvorhang ausgestattet und könnte so bei Bedarf vom Rest der Halle abgetrennt werden.

38 000 Kubikmeter Absaugleistung

«Die ganze Anordnung ist auf der anderen Hallenseite nochmals gespiegelt», fügt Reto Gut fast beiläufig an. Er erläutert, dass gemäss Masterplan allenfalls eine Linie mit Spenglern oder Lackierern weggelassen werden könnte, falls weniger Platz vorhanden sei, was aber logischerweise Einfluss auf die Kapazitäten und somit auch die Rentabilität einer solchen Grosscarrosserie habe. Wir schreiten Richtung Vorbereitungsplatz und Lackierkabine über den Hartbeton. «Der hat sich bewährt, ein Epoxidharz- oder Kacheln-Boden sieht anfangs vielleicht besser aus, ist aber nicht so beständig und strapazierfähig», sagt der gelernte Automechaniker, der auch während 18 Jahren für die SR Technics Group arbeitete und dort für verschiedene Abteilungen verantwortlich war und leitende Positionen im Triebwerkunterhalt innehatte. Seit zwölf Jahren ist er nun wieder bei der Amag und der Kopf hinter der neuen Carrosserie-Struktur. «Wir haben 25 Zentimeter Beton aufgebaut und bei den einzelnen Liften rund um die Arbeitsplätze die Luftführung rund 1,50 Meter nach unten gepackt. Das sieht man vor allem einen Stock tiefer in der Tiefgarage, unserem Arbeitsspeicher», verrät Reto Gut weitere Details. «Die Absaugleistung beträgt 38 000 Kubikmeter pro Stunde. Wir saugen ebenfalls schon beim Anbringen des Füllers die Luft ab. Bei uns ist der Trocknungsbereich auch mehr eine Ruhezone, ehe der Wagen über den Querverschub zum Finish und zur Endmontage weitergeschoben wird.» Nicht nur Arbeitsabläufe und Materialfluss beeindrucken in Wettswil, auch punkto Nachhaltigkeit gab und gibt man hier Vollgas – und das hat seinen guten Grund.

 

Photovoltaikanlage auf dem Dach

Durch das neue Energiegesetz müssen die einzelnen Unternehmen die Reduktion der direkten und indirekten CO2-Emissionen vorantreiben. Ziel: Klimaneutralität bis 2040. Die Amag hat dazu extra gemeinsam mit sieben Pilotbetrieben einen frei zugänglichen Branchenfahrplan für die K&L-Branche erstellt und so viel Pionierarbeit geleistet. Der Massnahmenplan umfasst 16 übrigens extra auch quantifizierte Punkte, da gewisse Massnahmen für gewisse Betriebe mehr Sinn machen als andere. So kann etwa die Wärmeerzeugung durch eine Wärmepumpe statt eines Öl- oder Erdgasheizers erfolgen. Auch das hat die Amag in Wettswil natürlich mitbedacht. Reto Gut blickt nach oben, auf dem Dach ist eine Photovoltaikanlage mit über 1200 Quadratmetern und fast 740 Modulen verbaut. «An sonnigen Tagen wie heute produziert die Anlage doppelt so viel Energie, wie wir für den Betrieb benötigen.»

 

Dank Lackumstellung massive Einsparungen

Das klar grösste Einsparpotenzial wird jedoch durch die Umstellung auf die Niedertemperatur-Lackierung erzielt. Hier kommt somit Volker Wistorf, Leiter Technik bei Axalta – André Koch, ins Spiel. Das Amag-Projektteam hatte für den Neubau damals verschiedene Technologien, die sich am Markt befanden, getestet und miteinander verglichen. In dieser Phase wurde ebenfalls ein dreimonatiger Test mit dem Fast-Cure-Low-Energy-Reparatursystem von Axalta in drei Betrieben gemacht. «Die Herausforderung für die Betriebe war, dass die Qualität der Lackierung stets sichergestellt werden musste und die Prozessgeschwindigkeit nicht negativ beeinflusst werden durfte», erläutert Volker Wistorf. «Zudem sollten die Lackierkabinen aus Gründen der Nachhaltigkeit nicht über 23 °C beheizt werden.»

Fast 40 Amag-Retail-Betriebe wurden auf den nachhaltigen Prozess mit der Speed-TEC-Technologie von Spies Hecker umgestellt, was die CO2-Emissionen deutlich senken konnte.
Jeder Arbeitsplatz ist mit einem im Boden versenkbaren Lift ausgestattet. Fotos: AGVS-Medien
Letzter Check, ob alles stimmt, dann wird im von beiden Seiten her zugänglichen Mischraum die nächste Dosis Lack von der vollautomatischen und autonomen Mischmaschine Axalta Irus Mix bereitgestellt.

Höhere Prozessgeschwindigkeit, weniger Energie

Das Resultat überzeugte, sodass heute fast alle 40 Amag-Retail-Betriebe auf diesen neuen Prozess und auf die Speed-TEC-Technologie von Spies Hecker umgestellt haben. «Das Herzstück dieser Energie- und CO2-Einsparung war eine Erhöhung der Prozessgeschwindigkeit innerhalb der Lackierkabine und die Umstellung auf Lufttrocknung», erläutert der Lackspezialist von Axalta – André Koch. «Wir erzielen dadurch eine Energieeinsparung von 46 Prozent, können zudem den Materialverbrauch um 18 Prozent reduzieren und die Arbeitszeit für eine Lackierung erst noch um 30 Prozent senken», rechnet Wistorf vor. Dank eines konstanten Monitorings – nicht nur in Wettswil, sondern in allen Betrieben – von Energie- und Lackverbrauch werden die Prozesse bei einer Erhöhung durch Amag- und Axalta-Mitarbeitende sofort nochmals geprüft und nachjustiert. «So ist ein sehr enger und intensiver Austausch entstanden, der zudem das gegenseitige Vertrauen stärkt und beiden Seiten weiterhilft, die ambitionierten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen», so Volker Wistorf.
Zum cleveren und nachhaltigen Gesamtpaket gehört auch eine vollautomatische und autonome Mischmaschine wie die Axalta Irus Mix. Diese ist zwischen den Lackierkabinen im von beiden Seiten her zugänglichen Mischraum platziert, spart im Vergleich zu einer manuellen Dosierung über 60 Prozent Zeit und ermöglicht viel genauere und kleinere Dosiermengen. Was wiederum aufs Nachhaltigkeitskonto einzahlt. Und während der Computer schnell und präzise mixt, kann der Lackierer schon wieder eine andere Aufgabe erledigen.

 

Computer teilt zu, nicht der Chef

Wer behält eigentlich bei diesen ganzen Arbeiten, Aufträgen und bis zu 150 Fahrzeugen pro Woche mit den unterschiedlichsten Schäden den Überblick, damit alles rundläuft und es keinen Stau im Workflow gibt? Reto Gut schmunzelt und deutet auf ein Computerterminal. «Wir haben dazu zusammen mit dem Schweizer Unternehmen Aspaara eine Software entwickelt», verrät Gut. «Sie haben für den Flughafen Zürich die automatische Standplatzzuordnung für die Flieger realisiert, und das funktioniert bei uns dank KI ganz ähnlich», erläutert der Amag-Geschäftsführer. «Bei uns sind die verschiedenen Arbeitsplätze, die Kompetenzen der Mitarbeitenden, die einzelnen Schäden samt Verknüpfung zum Audatex-Schadenmanagement und weitere Daten hinterlegt. Daraus wird rund jede Stunde ein optimaler Material- und Arbeitsfluss errechnet.»

Wie zum Beweis kommt ein Mitarbeiter, klickt einen Auftrag an, vergleicht seinen sogenannten Fit-Score für diese Aufgabe, wirft noch kurz einen Blick auf die zwei Optionen, die er sonst als nächste Aufgaben angehen könnte, und schnappt seinen nächsten Unfallwagen zur Aufbereitung. «Das System hilft uns, Engpässe zu vermeiden, sorgt für stabilere Abläufe und somit eine bessere Auslastung – auch das ist Nachhaltigkeit», meint Reto Gut zum Schluss einer eindrücklichen Betriebsführung. 

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