«Wir haben uns neu erfunden»
Herr Lämmle, 73 Jahre lang war es bei allem Erfolg ruhig um Ihr Unternehmen. Seit zwei Jahren geht es Schlag auf Schlag: Panolin-Verkauf, Öl-Rebranding zu Roxor, Kauf von Amstutz und Fripoo, neuer Standort in Mönchaltorf ZH. Ist rasante Veränderung kein schlechtes Zeichen?
Silvan Lämmle, CEO Marketing & Verkauf, Laemmle Chemicals: Nein. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und hat es gerne beständig. Und ja, bei uns hat sich in kürzester Zeit sehr viel verändert. Aber wer heute und in Zukunft am Markt bestehen will, darf sich nicht auf Erreichtem ausruhen, sondern muss vorangehen und sich verändern. Wandel ist nie einfach, aber er ist definitiv ein gutes Zeichen.
Eine Rückblende: Wieso haben Sie 2023 Panolin an Shell verkauft?
Das werden wir oft gefragt. Wichtig ist ein kleiner Unterschied mit grosser Wirkung: Wir haben nicht die Firma, sondern die Marke verkauft. Das Geschäft mit Bio-Hydraulikölen war global so gross geworden, dass wir es aus eigener Kraft nicht mehr stemmen konnten. Wir brauchten eine Lösung. Das war, die Marke zwecks weiterem Wachstum Shell zu geben. Die Formulierungen der Bioprodukte, nicht aber die Marke zu verkaufen, hätte weder für Shell noch uns funktioniert: Im Ausland sind Panolin und Bio synonym. Es war ein nötiger, wenn auch ein schmerzhafter Schritt.
Wieso war der Schritt denn schmerzhaft?
Im Kopf war es logisch. Aber emotional war das für die Kundinnen und Kunden, für die Mitarbeitenden und für uns als Familie eine echte Challenge. Übrigens muss ich hier einfach mal danke sagen: Unsere Kundschaft hat uns während all der Veränderungen die Treue gehalten. Unsere Mitarbeitenden haben mitgezogen und sich enorm ins Zeug gelegt. Beides ist nicht selbstverständlich. Danke!
Sie hätten einfach alles verkaufen und aufhören können.
Aufhören war keine Sekunde lang ein Thema. Das wären nicht wir, und das wäre nicht unser Selbstverständnis von Unternehmertum. Wir sind hier verwurzelt und tragen Verantwortung; wir haben so viele gute Mitarbeitende. Also haben wir gesagt: Wir erfinden uns jetzt einfach neu. Meine Schwester Sarah Mohr-Lämmle und ich als CEOs wollen eines fernen Tages eine gesunde Firma an die vierte Generation – je eines unserer Kinder ist schon im Betrieb – weitergeben.
Apropos: Sie besitzen und führen das Unternehmen mit 180 Mitarbeitenden inklusive sechs Familienmitgliedern gemeinsam mit Ihrer Schwester. Haben Sie beide im Sandkasten nie gestritten?
Als jüngerer Bruder musste ich schon damals folgen. (Lacht.) Nein, im Ernst: Wir verstehen uns blind. Meine Schwester ist CEO Produktion & Technik, ich bin CEO Marketing & Verkauf. In diesen Bereichen entscheiden wir allein, Übergeordnetes zusammen. Das klappt ganz hervorragend.
Klappt es auch ganz hervorragend, wenn ein Ölanbieter zwei Car-Care-Anbieter übernimmt?
Ja, denn es passt sehr gut zusammen. Öl und Car Care sind unterschiedliche Produktarten, aber es ist dasselbe Handwerk der Chemie. Und die Kundschaft überschneidet sich zu 90 Prozent. Darum haben wir Firma und Marke getrennt, den Schirm aufgemacht von Öl zu Chemie. Jetzt haben wir Roxor als Ölmarke, Amstutz als Reinigungs- und Chemiemarke für die Werkstatt und Polyston sowie Allerno und Fiesta von Fripoo als Reinigungs- und Chemiemarken für den Detailhandel. Wir wollen der wichtigste Komplettanbieter sein – samt Private-Label-Bereich im Retail. So breit aufgestellt sind wir zukunftsfit. Ein Beispiel, warum: Wie schnell und stark die E-Mobilität das Ölgeschäft verändert, ist nicht mehr so entscheidend wie für reine Schmiermittelanbieter.
Eine heikle Frage: Sind Sie denn jetzt damit der grösste Schweizer Hersteller im Car-Care-Bereich?
Es gibt keine Zahlen, wir können das nicht belegen. Aber wir sagen: gefühlt volumenmässig ja.
Ihr eindrucksvoller neuer Standort, der 2026 den Amstutz-Standort Eschenbach LU und den Fripoo-Standort Grüningen ZH ablöst, ist in Mönchaltorf ZH. Entschied die Nähe zu Madetswil?
Jein. Nur 25 Autominuten vom Haupt- und Roxor-Sitz Madetswil ZH – der niemals zur Diskussion stand – und die Lage im heimatlichen Zürcher Oberland kommen uns natürlich sehr entgegen. Ausschlaggebend jedoch war: Es macht keinen Sinn, einander ähnliche Produkte an zwei Orten zu produzieren, und in Eschenbach wie Grüningen sind wir nur Mieter. In Madetswil wäre es eng geworden, und ohnehin brauchen Öl- und Wasser-Alkohol-Chemie völlig andere Anlagen. Der Rest war Zufall: Die Halle stand bereits und ist gross. Und wir haben hier noch Baulandreserve für nochmals eine solche Halle. Aber das ist dann etwas für die nächste Generation. (Lacht.) Bereits in Betrieb sind in Mönchaltorf Büros und Lager, und bis Ende 2026 folgt die Produktion.
Mal ehrlich: Ganz ohne Hürden läuft es doch sicher nicht ab, Amstutz und Fripoo zu vereinen?
Ich formuliere es mal diplomatisch: Es ist anspruchsvoll. Du musst alles neu denken, wirklich alles. Wir arbeiten derzeit zum Beispiel noch mit drei ERP, also drei Betriebs-Softwares. Da wünsche ich mir ab und zu ein Faxgerät, das ich einfach woanders einstecken kann. (Lacht.)
Das Autogewerbe ist mit dem Car-Care-Bereich sicher noch weit wichtiger geworden?
Das Garagengewerbe ist unser Ur-Markt und hat mit Car Care noch an Bedeutung gewonnen, weil die Garagistinnen und Garagisten bei uns Öl, Car Care und Reinigungschemie aus einer Hand bekommen. Und natürlich bleiben die familiäre Kundennähe, Qualität und Expertise und der Service echt Laemmle. Und: Wir bleiben schweizerisch. Mit Mönchaltorf als grösster Investition unserer Firmengeschichte setzen wir bewusst ein stolzes Zeichen für den Standort Schweiz.
Wir haben jetzt kaum über Öl gesprochen. Sind Sie zufrieden mit dem Rebranding Ihrer Ölmarke zu Roxor?
Apropos Schweiz: Es ist nach wie vor rot-weiss. Wir sind sehr zufrieden. Unsere vorherige Marke war schön, aber ruhig. Roxor ist dynamischer, moderner. Wir bekommen viele Komplimente!
Wie steht es ohne Bio-Schmierstoffe um Ihre frühere Kernkompetenz Nachhaltigkeit?
Unser Leitsatz lautet «Chemie mit Verantwortung», und dem sind wir treuer denn je. Wir setzen heute Massstäbe im Bereich Kreislaufwirtschaft und Second Life. Nur zwei Beispiele: Wir haben grosse Schritte hin zu Altölen als Basisölen gemacht. Und alle Fässer, in denen wir ausliefern, sind gebraucht. Wir haben uns neu erfunden – und noch viele innovative Ideen für die Zukunft.