Mini Schweiz startet Agenturmodell

«Wir müssen gemeinsam Erfolg haben»

Echt oder unechte Agentur? Das Agenturmodell wurde lange heiss diskutiert, ehe es plötzlich ganz ruhig ums Thema wurde. So ruhig, dass Mini im Juli sein Schweizer Agenturmodell ohne Nebengeräusche einführte. Was bedeutet diese Umstellung und welche Chancen bietet sie?
Publiziert: 08. August 2025

Von

Jürg A. Stettler


										«Wir müssen gemeinsam Erfolg haben»
Auch nach Einführung des Agenturmodells bleiben die Mini-Partner die zentralen Ansprechpersonen für die Kundschaft. Fotos: Mini

Seit Anfang Juli treten die 86 Mini-Partner in der Schweiz nicht mehr als eigenständige Verkäufer auf, sondern sind nach Einführung des Agenturmodells – oder, wie es bei einer jungen, hippen Marke cooler als «The New Retail» bezeichnet wird – Agenten. Sie treten nurmehr als Vermittler auf, arrangieren Probefahrten, kümmern sich um Dienstleistung, Auslieferung und Aftersales. «Der Automobilhandel ist ein traditionelles Gewerbe, und das Showroom-Erlebnis gehörte und gehört weiterhin dazu», erklärt Cosima Seibold, Direktorin Mini Schweiz. «Gewisse Kundenkontakte erfolgten bereits früher online, aber nicht so viele wie heute. Wir wollen unsere Kundinnen und Kunden künftig überall abholen: Es muss möglich sein, den Mini komplett online zu kaufen.» Valerio Valsecchi, Projektleiter «The New Retail» Schweiz, ergänzt: «Wir wollen mit dem neuen Modell nicht auf Onlines-Sales umsteigen. Wir wollen den Retail beibehalten. Auch unsere Kunden wollen den physischen Kontakt noch und die personalisierte Unterstützung beim Kaufprozess.» 

Mini-Partner bleibt Ansprechperson


Die Schweiz ist eines der letzten europäischen Länder, in denen Mini das System und zugleich einen grossen Digitalisierungsschritt im Verkauf umsetzt und vom Wholesale-Modell mit Händlern zu einer echten Agentur wechselt. Damit hat Mini Schweiz nun zwar eine direkte vertragliche Beziehung mit Kundinnen und Kunden, der Mini-Partner bleibt jedoch die zentrale Ansprechperson. Für den Importeur ergeben sich durch die zunehmende Digitalisierung des Verkaufsprozesses auch Vorteile. So sind nun alle Fahrzeuge mit der ganzen Konfiguration und dem Standort in einem System erfasst. «Wir kennen deren Verfügbarkeit, wissen, wo sie stehen. Wenn der Kunde etwas Spezielles sucht, können wir bei langen Lieferfristen Optionen anbieten, und ganz wichtig: Wir haben Preistransparenz», erläutert Valsecchi. «Der Preis ist überall gleich, egal wann und wo in der Schweiz. Die Kundin oder der Kunde hat somit eine Bestpreisgarantie.»

Bestpreisgarantie in der Schweiz


Für Daniel Castaldi, Leiter Verkauf & Standortleitung Hedin Automotive Dielsdorf ZH, ist klar: «Die ganze Umstellung ist ein Prozess, ein Learning by Doing. Wir sind froh, dass wir auf den Erfahrungen aus anderen Märkten aufbauen können. Anfangs werden die Kunden sicherlich noch schauen, ob wirklich überall der gleiche Preis gilt. Das wird sich aber legen. Wichtig ist, mit dem Fortschritt mitzugehen.» Die Mini-Kundschaft sei zudem oft jünger und onlineaffiner und man habe eine kleine Modellpalette, was diese Schritte erleichtere. «Der Verkäufer ist nun noch wichtiger. Er kann sich durch seine Kompetenz und seine Beratung abheben – sogar mehr als früher. Er kann sich als Mobilitätsberater profilieren», so Castaldi. Und Valerio Valsecchi ergänzt: «Es ist im gewissen Sinne auch eine Entlastung für den Mini-Partner, der sich voll aufs Kundenerlebnis konzentrieren kann. Er unterscheidet sich nicht mehr durch den Preis, sondern die Dienstleistung.» 

Kauf rein online möglich


Damit dies alles möglich und ohne mühseliges x-faches Datenerfassen vor sich gehen kann, führt Mini auch eine komplett neue IT-Landschaft ein. Jennifer Demund, Rollout Manager TNR BMW Switzerland, verrät: «Man kann den Kaufprozess zuhause auf dem Sofa starten und in der Garage weitermachen, da gibt es keinen Bruch bei den Daten mehr. Was natürlich immer offline bleibt, sind die Probefahrt und die Auslieferung, aber der ganze Kaufprozess kann digital erfolgen.» Am einfachsten geht es, wenn man sich eine sogenannte Mini-ID anlegt: Dann kann man zwischen den Kanälen wechseln. Und egal, bei welchem Mini-Partner, mit einem QR-Code auf dem Handy auftauchen und die Reise als Kunde genau dort wieder aufnehmen, wo man sie zuvor unterbrochen hatte.

Probefahrt mit 72 Stunden Vorlauf


Probefahrten liessen sich schon früher online buchen, doch nun ist die Auswahl an Mini-Modellen grösser und vielleicht genau das richtige samt Wunschfarbe und spezifischer Ausstattung dabei. Steht ein Modell nicht beim gewünschten Händler, versucht Mini es mit den Logistikpartnern bis zum Wunschtermin dorthin zu bringen. «Online kann man eine Probefahrt mit 72 Stunden Vorlauf buchen, und auch der Probefahrtvertrag lässt sich online unterzeichnen», erläutert Demund. «So hat der Mini-Partner genügend Zeit, alles sauber vorzubereiten.» Natürlich können Kunden weiter einfach beim Händler vorbeischauen, nur sei dann die Fahrzeugauswahl vielleicht nicht ganz so gross. Die digitale Reise geht beim Mini-Partner nahtlos weiter, über den eSign-Prozess und QR-Code erhält der Mobilitätsberater alle Infos zur Probefahrt oder zu Kundenvorlieben in sein CRM. Nach der meist einstündigen Testfahrt werden im Rückgabeprotokoll im schlimmsten Fall Schäden oder erste Eindrücke auch gleich online festgehalten. 

Occasionen bleiben Händlersache


Ist der Kunde bereits einen Schritt weiter und weiss genau, was er will, kann er den konfigurierten Mini einfach in den Warenkorb legen. Es folgt aus Datenschutzgründen auch eine Abfrage, ob der Mini-Partner diese Daten ebenfalls nutzen darf. «Ich kann zudem schon Infos zum Eintauschauto eingeben: VIN-Nummer, Zulassungsdatum und Kilometerstand erfassen, und man erhält eine erste, unverbindliche Schätzung», erklärt Demund und betont. «Beim Eintausch ist der Mini-Partner immer noch im Lead und entscheidet, ob er den Wagen reinnimmt oder nicht», präzisiert Valsecchi. «Auch Occasionen und Teile laufen separat, da ist der Mini-Partner völlig frei.» Bezüglich Finanzierung haben die Mini-Kunden online die Wahl zwischen Finanzierung, Leasing oder Überweisung. «Wir haben bewusst kein Abo-Modell integriert und aktuell auch noch keine Home Delivery», so Valsecchi. Drückt man am Schluss «Zahlungspflichtig bestellen», geht es zur Bonitätsprüfung, und dann steht dem Kauf nichts mehr im Wege.

Lead-Bearbeitung entscheidend


Seit Lancierung des Systems werde ein Mix aus allen Varianten einer Costumer Journey beobachtet, heisst es seitens Mini – bis hin zur komplett digitalen. Wichtig ist den Mini-Verantwortlichen, dass es keinen Unterschied macht, ob das Auto online oder doch im Showroom gekauft wird. «Für uns ganz entscheidend ist die Lead-Bearbeitung», so Mini-Markenchefin Cosima Seibold. «Das tracken wir auch, das ist ein Fokusthema. Wir wollen ja, dass der Mini-Partner schnell reagiert, wenn der Kunde ein Anliegen hat.» Für Seibold ist auch klar, dass das Agenturmodell die Partnerbetriebe und ihre Rolle nicht marginalisiere, quasi die Marge abkassiere und den ehemaligen Händlern nichts mehr zum Leben lasse. Als Importeur trage man nun dafür andere Risiken, da die Minis nicht mehr den Händlern gehörten und beispielsweise keinen Preisschwankungen ausgesetzt seien. Wichtig bleibe, betont Cosima Seibold: «Wir müssen gemeinsam Erfolg haben!»

 

Showroom als Erlebnisort

Damit der Rahmen ideal ist, setzt Mini zudem auf eine neue Corporate Identity. Die Showrooms werden zu Begegnungs- und Erlebnisorten umgestaltet und Mini-Partnern werden neue digitale Möglichkeiten angeboten, um ihre Kundschaft abzuholen. Ein Teil davon ist die «EVE», kurz für «Emotional Virtual Experience», mit der eine fotorealistische 3D-Darstellung jedes Mini möglich ist. «Man kann mit den Lichtsignaturen spielen, das Handschuhfach oder bei einem Cabrio das Dach öffnen, und kriegt allein dadurch einen viel besseren Eindruck vom Fahrzeug», verrät Daniel Castaldi von Hedin Automotive in Dielsdorf, wo man dafür bald grosse 4K- oder 8K-Bildschirme einsetzen will. «Als Händler haben wir die Kunden bislang vielleicht eher über den Preis verwöhnt, nun werden wir uns über den Kundendienst abheben und dies zu einem Erlebnis machen.»

In den nächsten Monaten wird sich zeigen, wie gut das Zusammenspiel von Importeur und Agenten funktioniert. Für die Agenten von grundlegender Bedeutung wird sein, dass der Importeur die Neuwagen marktgerecht einpreist, kann der Agent an der Front in preislicher Hinsicht nicht mehr reagieren und sind die Agenten auf ausreichend Volumen angewiesen, um insbesondere die fixen Personal- und Infrastrukturkosten decken zu können. Auch hier gilt: Nur gemeinsam wird man auf die Erfolgsstrasse einbiegen.

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