Schweizer Elektropioniere: In jedem Elektroauto steckt ein wenig Brusa

«Mobilität bewegt Menschen, und genau das ist unser Antrieb»

Die Entwicklung der Elektromobilität wird im St. Galler Rheintal seit 40 Jahren entscheidend mitgeprägt und vorangetrieben. Heute gehört Brusa zu den führenden Anbietern von Antriebstechnologien, Ladeinfrastrukturen und Leistungselektronik für Elektrofahrzeuge sowie weiteren damit verbundenen Lösungen für die elektrische Energiewandlung. «Mich motiviert tagtäglich, dass wir an sinnvollen Projekten arbeiten, die die Gesellschaft nachhaltig weiterbringen», sagt Pascal Haltner, Vice President der Brusa Technology AG.
Publiziert: 28. Juli 2025

Von

Mike Gadient


										«Mobilität bewegt Menschen, und genau das ist unser Antrieb»
Pascal Haltner vor dem Siegerfahrzeug der Tour de Sol 1987, das mit einem elektrischen Antrieb für Solarfahrzeuge von Brusa ausgestattet ist. Fotos: AGVS-Medien

Die Berufskarriere von Pascal Haltner ist unzertrennlich mit der Firmengeschichte von Brusa und der rasanten technologischen Entwicklung verbunden. Nachdem er seine Berufslehre als Elektroniker 2007 abschloss, war er im Laufe der Jahre an zahlreichen Projekten beteiligt, die von Prototypen bis hin zur Serienentwicklung reichten. Dabei sammelte er umfangreiche Erfahrungen in den Bereichen Mechanik, Software, Steuerung und Gesamtantriebsauslegung.

Heute ist Pascal Haltner Vice President der Brusa Technology AG, die 2023 als Spin-off aus der Brusa Elektronik AG entstanden ist. «Mich motiviert tagtäglich, dass wir bei Brusa an sinnvollen Kundenlösungen arbeiten, die die Gesellschaft nachhaltig weiterbringen», erklärt er. Produkte von Brusa finden nicht nur in der klassischen Automobilindustrie ihren Platz, sondern auch in Wasserfahrzeugen, industriellen Anwendungen und Luftfahrtprojekten. 2024 wurde ein Batteriesystem für autonome Gondeln ausgeliefert, das im «FlemXpress» im Skigebiet Flims Laax Falera zum Einsatz kommt.

Pascal Haltner, welche Erfahrungen und Technologien aus der Elektromobilität konnten Sie beim «FlemXpress» einbringen?
Pascal Haltner, Vice President der Brusa Technology AG: Für Brusa war dieses gemeinsame Projekt mit Bartholet ein symbolisches «Back to the roots». Auch wenn wir keine eigenen Getriebe bauen, ist für uns zentral, wie alle Komponenten zusammenwirken: Vom Netzanschluss über Batterie, Leistungselektronik, Steuerung bis zum Antrieb. Die Batterie spielt dabei eine Schlüsselrolle. Schon 2007 haben wir mit der Fachhochschule OST gemeinsam eine Batteriebox entwickelt. Mithilfe dieser frühen Prototypen mit eigens entwickelter Klimatisierung und Batteriemanagementsystem wurde gezeigt, wie dynamisch E-Mobilität sein kann. Heute übertragen wir diese Erfahrung auf neue Anwendungen wie die Gondelbahn. Jede Gondel ist im Prinzip ein autonomes Elektrofahrzeug mit Batterie, Ladegerät, Antrieb und Steuerung. Unsere Erfahrung aus der Automobilindustrie hilft uns, auch hier schnell Lösungen umzusetzen. Innerhalb von nur einem halben Jahr konnten wir die Produktentwicklung von der Erstanalyse bis zur vollständigen Serienlieferung durchziehen.

Welcher Meilenstein, den Brusa im letzten Jahrzehnt erreicht hat, kommt Ihnen sofort in den Sinn?
Die allererste Serienbelieferung an Volvo im Jahr 2011. Wir lieferten rund 300 Einheiten jeder Komponente eines kompletten elektrischen Antriebssystems an Volvo, mit Ausnahme der Batterie. Diese erstmalige enge Zusammenarbeit mit einem OEM war prägend, weil Brusa dabei nicht nur die Entwicklung, sondern auch die Qualitätssicherung, Projektabwicklung und termingerechte Lieferung von bis zu sechs Kernkomponenten für den Antriebsstrang im Automobilumfeld übernahm.

Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den namhaften Automobilherstellern weiterentwickelt?
Bei Brusa verdoppeln wir ungefähr alle zehn Jahre die Leistungsdichte unserer Systeme. Und dasselbe Ladegerät, das früher einen grossen Kasten füllte, passt heute in eine Schuhschachtel. Das Potenzial für weitere technologische Fortschritte bleibt enorm. Deshalb hat sich auch die Zusammenarbeit mit den OEMs in der Automobilbranche deutlich weiterentwickelt. Die heute verbaute Technologie wurde meist schon vor sechs oder mehr Jahren in unseren Labors entwickelt. Wir arbeiten daran, bestehende Lösungen mithilfe modernster Fertigungstechnologie weiter zu verbessern.

Können Sie bitte ein Beispiel dazu machen?
Wir wollen noch näher am Kundenbedarf sowie effizienter und nachhaltiger sein. Ein gutes Beispiel dafür ist die Batterietechnologie: Während man vor 40 Jahren an der Tour de Sol mit Blei-Akkus von 30 Wh/kg fuhr, sind heutige Lithium-Ionen-Akkus sechseinhalb mal leistungsfähiger. Das ermöglicht Reichweiten und Mobilität, die früher undenkbar waren. Auch die Entwicklung in der Mikroelektronik, etwa bei Mikrokontrollern und Halbleitern, hat grosse Fortschritte gebracht. Dadurch können wir heute viel kleinere, leichtere und effizientere Ladegeräte und Steuergeräte bauen. Mit weniger Materialeinsatz sinken nicht nur Gewicht und Energieverlust, sondern auch die Kosten. Diese Entwicklung macht Elektromobilität für den Massenmarkt attraktiver. Ein Vergleich aus dem Verbrennungsmotor zeigt das gut: Der Übergang vom Saugmotor zum Turbomotor war ein Technologiesprung, der anfangs umstritten war, heute aber Standard ist. Genauso wird auch die Elektromobilität weiter verfeinert – mit bekannten Materialien wie Kupfer, Aluminium und Ferrit, aber immer neuen Ideen in der Kombination und Anwendung.

Was raten Sie den Garagisten in Anbetracht der zu erwartenden Veränderungen?
Wichtig ist, offen zu bleiben und sich aktiv mit den Entwicklungen auseinanderzusetzen, um herauszufinden, wie man künftig passende, zukunftsfähige Lösungen für die Kundschaft anbieten kann. Gerade bei Elektrofahrzeugen sehen wir eine klare Tendenz: Die verbauten Komponenten – ich spreche hier nicht vom Scheibenwischer, sondern von den elektrischen Antriebsteilen – sind qualitativ hochwertiger, langlebiger und deutlich robuster als bei klassischen Verbrennern. Das bedeutet: weniger Reparaturen, weniger Materialverbrauch und zunächst auch weniger Werkstattaufwand.

Das hören Automechanikerinnen und Automechaniker aber nicht gerne.
Klassisches Handwerk, wie beispielsweise eine Getriebereparatur, ist bereits heute selten geworden. Vielmehr werden heutige Ersatzteile ersetzt, statt repariert. Dabei geht ein Teil unserer Wertschöpfung verloren. Umso wichtiger ist es, dass sich Mechaniker aktiv mit der Elektromobilität beschäftigen und neue Formen von Service entwickeln. Zum Beispiel können sie Vertrauen aufbauen, indem sie ihren Kundinnen und Kunden die Angst vor der Reichweite nehmen oder sie bei der Ladeinfrastruktur beraten. Der persönliche Kontakt bleibt entscheidend. Warum sollte man den Garagisten nicht anrufen dürfen und um einen Abholservice bitten, wenn das Laden mangelhaft geplant wurde und die nächste Ladestation zu weit entfernt ist? Langfristig bedeutet Elektromobilität weniger, aber gezieltere Arbeit.

Wie bleiben Sie technologisch am Puls, um «das nächste grosse Ding» nicht zu verpassen?
Die stetige Weiterentwicklung ist tief in unserer 40-jährigen Firmengeschichte verankert. Entscheidend ist dabei, die Freude an der Sache nicht zu verlieren. Natürlich braucht Innovation auch Ausdauer. Von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt vergehen meist mehrere Jahre. Im Schnitt sind es mindestens drei, besser aber zukünftig nur zwei. Gerade im chinesischen Raum ist die Time-to-Market deutlich kürzer, verglichen mit der deutschen Automobilindustrie.

Brusa ist mit drei Standorten in China diesbezüglich strategisch gut aufgestellt.
Wir arbeiten eng mit unseren chinesischen Partnerstandorten zusammen, sowohl in der Fertigung als auch in der Entwicklung. Diese Nähe ist für uns entscheidend: In Asien finden wir die Platzverhältnisse und Manpower vor, damit wir ein Produkt in grosser Stückzahl testen und über Jahre hinweg konstant in gleichbleibender Qualität herstellen können. Während in Europa häufig vom Fachkräftemangel die Rede ist, finden wir in China eine grosse Zahl an qualifizierten und motivierten Mitarbeitenden. Vielfalt und interkulturelle Zusammenarbeit waren uns schon immer ein grosses Anliegen. Denn aus seiner Sicht – und auch aus unserer heutigen Erfahrung – entstehen innovative Lösungen dort, wo unterschiedliche Denkweisen, Hintergründe und Perspektiven aufeinandertreffen.

Können Sie erklären, wie sich China in nur wenigen Jahren zur weltweit führenden Nation im Bereich der Elektromobilität entwickelt hat?
Während wir in Westeuropa und Nordamerika Jahrzehnte an Know-how rund um Verbrennungsmotoren aufgebaut haben, fehlt diese Tradition in China. Das Land musste also gar nicht erst umlernen. Stattdessen hat es die Chance erkannt: Ein Elektromotor ist einfacher und schneller herzustellen – mit nur wenigen beweglichen Teilen, verglichen mit der aufwendigeren Mechanik eines Verbrenners. Der Einstieg in die Elektromobilität war für China also nicht nur technologisch attraktiv, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Heute ist China in der Lage, ein komplettes Elektroauto, mit mindestens selbigem Komfort, selbst zu bauen. In den letzten zehn Jahren haben sich chinesische Hersteller das notwendige Wissen hierzu erarbeitet. Sie produzieren heute einen grossen Teil der weltweiten Batterien, das Herzstück jedes E-Fahrzeugs, und sind führend in der Leistungselektronik.

Wie wirkt sich diese Entwicklung auf Sie persönlich aus?
Ich war selbst schon länger nicht mehr in China und gebe hier weiter, was ich höre. Dies liegt daran, dass unsere chinesischen Kollegen die bisherigen Lösungen bereits bestens verstanden und in die Fertigung übertragen haben. Die Motivation unserer chinesischen Kollegen fördert ungebremst die Weiterentwicklung der Produkte. Die Ziele dabei sind klar: kompakter, leichter und deshalb auch effizienter. Dies ist entlang unserer Philosophie und unterstützt unsere Zielrichtung vom nachhaltigen Einsatz der vorhandenen Ressourcen – denn unsere Geräte bestehen grösstenteils aus Aluminium, Kupfer und Eisen. Die Wirkung von Brusa ist somit sehr stark auch in China und somit weltweit spürbar.

Wie gross ist eigentlich der Stolz, dass praktisch in jedem Elektroauto ein wenig Brusa steckt?
Mobilität bewegt Menschen, und genau das ist unser Antrieb. Es motiviert uns, wenn wir unsere Fähigkeiten einsetzen können und daraus Lösungen entstehen, die nachhaltig bewegen – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Je mehr unsere Lösungen weltweit eingesetzt werden, desto stärker spürt man den Hebel der eigenen Ideen. Als ich bei Brusa 2003 meine Berufslehre startete, waren wir rund 20 Personen. Heute sind wir über 500, Tendenz stark steigend. Aber es geht nicht nur um Grösse, sondern um Wirkung: Unser Ziel ist eine durchgängig nachhaltige Mobilität – effizient und dadurch ressourcenschonend.

Weitere Infos unter: brusa.biz

Meilensteine aus Sicht der Automobilindustrie

40 Jahre Brusa Elektronik AG.
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