Diskussionen führen zum E-Konsens

Nur Tage nach der jährlichen Schweizer Konferenz Elektromobilität ging es einen Schritt voran in die E-Zukunft: An der Tagung aller E-Mobility-Player, organisiert von Auto-Schweiz, Swiss eMobility und dem VSE (Verband der Stromversorger), hatten die Referierenden und Diskussionsteil- nehmenden fast durchwegs betont: Das «Recht auf Laden» (also auf eine Wallbox) für Mi e t e n d e und Stockwerkeigentümer, wie es in ande- ren Ländern bereits besteht, ist elementar, um die bei einem Fünftel stagnie- renden E-Verkäufe anzukurbeln.
Und siehe da: Das hinter den Kulissen geleistete Engagement von Verbänden wie den genannten oder dem AGVS zahlte sich aus. Eine Woche nach der Konferenz sagte nach dem Nationalrat auch der Ständerat Ja zur Motion von GLP-Nationalrat Jürg Grossen. Der Bundesrat muss nun eine «Recht auf Laden»-Regelung ausarbeiten. Nur: Gesetzesmühlen mahlen langsam, das dauert. Wie so oft bei der E-Mobilität: Es bleibt viel zu tun. «Genau darum geht es bei solchen Tagungen: Standpunkte austauschen, um den Konsens und Lösungen zu finden», sagt AGVS-Geschäftsführer Christian Wyssmann zur Konferenz in Bern, an der er – wie weitere AGVSRepräsentanten – teilnahm und das Autogewerbe in einer Podiumsdiskussion vertrat.
Generell waren die Referierenden und Debattierenden heuer so zahlreich und hochkarätig, dass es jeden Tagungsbericht sprengt: Erfahrungen, Anregungen, Meinungen, kontroverse bis inspirierende Inputs. Nur ein Beispiel: Martin Lörtscher, CEO der Hugelshofer Logistik AG aus Frauenfeld TG, berichtete, wie seine Elektroflotte (derzeit 52 von 250 LKW) einen eigenen Ladepark mitsamt Solarstrom nutze. «Wir können 28 LKW zeitgleich schnellladen, davon 15 mit PV.» Lörtscher betonte: «Der Antriebswandel ist unumstösslich – und funktioniert! » Ähnlich sieht es Jürg Röthlisberger, Direktor Bundesamt für Strassen (Astra). Über die Technologiewende müsse er nicht mehr sprechen, sie komme. Röthlisberger ging darauf ein, dass dadurch ein Problem auftrete. Vieles, etwa Strassen und, so Röthlisberger, «auch die SBB», finanziere sich aus der Mineralölsteuer. Daher komme ein «Mineralölsteueräquivalent»: Eine E-Auto-Abgabe pro Kilometer oder pro geladene Kilowattstunde. «Sonst bricht die Finanzierung der Infrastruktur zusammen», betonte Röthlisberger und führte aus, dass bald E-Lieferwagen gefördert würden. «Heute darf ein E-Lieferwagen 80 km/h fahren und bezahlt LSVA.» Dies werde korrigiert, damit es vorangehe wie bei E-PW und E-LKW.
Wie schnell unmöglich geglaubte Fortschritte manchmal gehen, sprach Krispin Romang als Direktor von Swiss eMobility, einem der Gastgeber, an: «Vor 15 Jahren haben wir bei 20 kW bereits von Schnellladen gesprochen», meinte Romang schmunzelnd. Zwei kleine Beispiele für Erreichtes und Herausforderungen, die unter Teilnehmenden diskutiert wurden: Noch vor zehn Jahren stand vor dem Laden eines E-Autos oft die Steckerfrage: Typ 1, Typ 2, Chademo, CEE oder CCS? Heute ist das passé dank der Hintergrundarbeit von Verbänden, Regierungen und Unternehmen. Basisarbeit, ohne die es nicht geht – wie aktuell jene von Task 53 (task53.org). Dies sei, berichtete Nicole Wächter, Task53-Kommunikatorin, eine von der Schweiz aus initiierte internationale Initiative, die an einer gemeinsamen «Sprache» aller künftigen Systeme für bidirektionales Laden arbeite. So entstehe dann in jahrelanger Detailarbeit die standardisierende Iso-Norm.
Apropos Fortschritt: Eine echte Pionierin ist die Schweiz auch beim Thema Batterie-Recycling. Deshalb verliehen Auto-Schweiz, Swiss eMobility und VSE an der Tagung den «Goldenen Stecker der Elektromobilität » an Librec. Die Librec-Anlage in Biberist SO (siehe AUTOINSIDE 05/25), eine der modernsten Recyclinganlagen weltweit, erreicht beim Recycling von Lithium-Ionen-Antriebsbatterien und somit deren Rohstoffen eine Wiederverwertungsquote von über 97 Prozent. Aber kommen nicht doch vielleicht wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen oder E-Fuels und nehmen der Batterie das Heft aus der Hand? Solche Hoffnungen dämpfte ein überaus renommierter Experte für das Thema, der Chemiker Maximilian Fichtner, Direktor Helmholtz-Institut Ulm (D) und Professor Uni Ulm. «Ich komme ja aus dem Wasserstoffbereich », so Fichtner, «und noch vor drei Jahren hätte ich gesagt: Naja, Wasserstoff – vielleicht in LKW. Heute weiss ich nicht, wie das gehen sollte. Schon weil im LKW-Bereich jeder Cent zählt und batterieelektrisch 300 Prozent günstiger geht.» E-Fuels? «Im Jahr 2035 könnte ein Hunderttausendstel des Benzins weltweit durch E-Fuels ersetzt werden. Damit könnten Sie gerade mal acht Prozent des deutschen Verkehrs betreiben.» Zudem seien Wirkungsgrad und Ökobilanz von batterieelektrischen Fahrzeugen schlicht unschlagbar.
Als Teilnehmer bei einer der Podiumsdiskussionen zur E-Mobilität machte AGVS-Geschäftsführer Christian Wyssmann auf ein heikles, zu oft übersehenes Thema aufmerksam: «Der Preiszerfall bei E-Occasionen ist für Garagen bereits ein akutes betriebswirtschaftliches Problem, das jetzt rasch angegangen werden muss.» Und betonte: «Derzeit befindet sich unsere Branche nicht nur im Technologie-, sondern auch im Generationenwechsel. Wir dürfen den Wandel nicht als Risiko, sondern müssen ihn als Chance sehen – und innovativ vorangehen.» Das Garagengewerbe sei jedenfalls auch im Jahr 2050 als Mobilitätsdienstleister noch Partner Nummer eins der Automobilist: innen, sagte Wyssmann.
Seitens Auto-Schweiz wurde durch Präsident Peter Grünenfelder und Direktor Thomas Rücker betont, dass die Produkte da seien und man E-Mobilität wolle, die Autobranche sie jedoch nicht allein, sondern nur mit Rückenwind der Politik stemmen könne. Und in einer Podiumsrunde der Stromversorger wurde klar: Bei über 600 Stromversorgern in der Schweiz ist es nicht einfach, auf einen Nenner zu kommen – aber vieles geht voran. Einzelne Anbieter haben bereits dynamische Tarife: Im Extremfall kostet der Strom nichts, sondern wird Laden sogar monetär belohnt, falls geladen wird, wann es der Netzstabilität dient. Nur: Diese dynamischen Tarife würden bislang kaum genutzt. Wohl auch eine Frage der Psychologie – genau wie beim Laden. Eine hübsche Analogie kam von Ilaria Besozzi. «Haben Sie schon mal Pizza online bestellt oder ein E-Auto öffentlich geladen? Was ging einfacher? », fragte die CEO des Ladenetzwerks Swisscharge rhetorisch und gab selbst die Antwort und offen zu, dass es heute daran noch oft hapere. Es brauche attraktive Standorte mit transparenten Preisen: «Laden muss einfach sein wie das Bestellen einer Pizza.»