«Um überleben zu können, muss sich der Salon anpassen»

Der 89. Genfer Autosalon wird am 5. März seine Tore öffnen. Es war daher naheliegend, dem Präsidenten der «Geneva International Motor Show» (GIMS), Maurice Turrettini, einen Besuch abzustatten. Der Salon-Chef macht keinen Hehl aus den Herausforderungen, vor denen die Messe steht und die eine beständige Anpassung erfordern.
 

turrettini_920px.jpg
 
 

Für zahlreiche Schweizer Autofahrer bleibt der Genfer Auto-Salon ein Höhepunkt des Jahres und ein unverzichtbarer Treffpunkt. Das wird in diesem Jahr nicht anders sein. Die Branche ist jedoch von Schwankungen betroffen. Einige Aussteller kehren jährlichen und zweijährlichen Veranstaltungen dieser Art den Rücken zu. Opel war bereits 2018 nicht mehr in Genf zugegen. In diesem Jahr bleiben Ford, Hyundai und Volvo dem Salon fern, auch die englischen Marken Jaguar und Land Rover, die den Ungewissheiten des Brexit ausgesetzt sind.

«Ihr Fernbleiben beunruhigt uns natürlich», sagt Maurice Turrettini. «Vor drei oder vier Jahren», fährt der Genfer Rechtsanwalt fort, «haben uns die Verantwortlichen von Volvo noch erklärt, Genf sei ein Muss für sie und sie gingen nicht nach Paris, da sie sich dort nicht zurechtfänden. Sie haben uns erklärt, dass sie dieses Jahr nicht kommen und dass dies nicht nur von ihnen abhänge. Das sind politische Entscheidungen, die nur schwer abzuschätzen sind und auf die man nur schwer reagieren kann.» Genf bleibe aber ein Treffpunkt. «Es ist keine Verkaufsshow, sondern eine Ausstellungsshow, wo sich CEOs und Designer treffen und austauschen. Nicht mehr teilzunehmen, ist nicht der richtige Weg, denn in gewisser Weise gerät man dann für ein Jahr in Vergessenheit und ist nicht mehr präsent.»

Wie bleibt man im Rennen?
Im Gegensatz zu anderen Auto-Salons im europäischen Ausland, die nur alle zwei Jahre stattfinden, bleibt Genf der einzige jährliche Auto-Salon. Dies ist aber nicht sein einziger Vorteil. Die Anzahl der Messen in Europa wird abnehmen, und einige werden ganz verschwinden. Um diesem Schicksal zu entgehen, setzt der Genfer Auto-Salon auf seine Vorzüge. «Man muss wissen, unter welchen Bedingungen die Aussteller kommen», verrät Maurice Turrettini. «Sie kommen, weil ihre Mitbewerber da sind. Sie kommen auch, weil jedes Jahr mehr als 10 000 Medienvertreter da sind, die weltweit über alle denkbaren Kanäle – auch über die sozialen Medien – von den Neuheiten berichten. Genf muss auch der internationalste Salon bleiben. Paris gibt den französischen Marken den Vorzug, und in Detroit und Los Angeles teilen sich die amerikanischen Hersteller den Löwenanteil unter sich auf.»

Die GIMS leidet im Moment noch weniger unter dem Fernbleiben von Marken als andere europäische Auto-Salons und sie hat den Vorteil, nationalen Marken nicht den Vorrang einräumen zu müssen. Die bedeutende Genfer Automesse kann sich ausserdem auf das allseits geschätzte und kompetente Autosalon- und Palexpo-Personal verlassen.

Neuentwicklungen wie jene im Bereich der Elektrofahrzeuge werden auch in Zukunft zahlreich bleiben. «Alle Marken stellen um, sie haben gar keine andere Wahl», meint der Präsident der GIMS. «Um die hohen Emissionen ihrer leistungsstarken Fahrzeuge auszugleichen, müssen sie auch Elektrofahrzeuge anbieten. Zunächst wurden Elektrofahrzeuge noch für Erfindungen von Professor Bienlein gehalten. Heute stellen die Marken sie an ihren Ständen in den Fokus.»

Eine weitere wichtige Entwicklung ist die Änderung des Salon-Reglements, insbesondere in Bezug auf die Stände der Zulieferer in Halle 7. Hier gab und gibt vor allem die Dauer zu reden. 2019 werden noch parallel verschiedene Ausstellungsdauern in Halle 7 geführt, eine sogenannte Langzeit- und eine Kurzzeitmesse. 2020 wird Genf dann für die gesamte Halle 7 noch sechs Tage dauern. «Wir versuchen, Lösungen zu finden, die für alle zufriedenstellend sind», sagt Maurice Turrettini. «Das Ziel bleibt weiterhin, die Hallen mit Qualitätsausstellern zu füllen. Wir haben kritische Stimmen gehört, die meinten, dass 13 Ausstellungstage zu lang seien. Dies haben wir berücksichtigt und unser Reglement entsprechend gelockert.»
 
Die Herausforderungen von Olivier Rihs

In diesem Jahr erhält die GIMS einen neuen Direktor: Olivier Rihs. Er hat am 1. Februar die Leitung übernommen und wird sich bis zum Sommer an der Seite des derzeitigen Direktors André Hefti in die verschiedenen Bereiche des Auto-Salons einarbeiten. Letzter wird sein Amt am 30. Juni niederlegen und in Rente gehen. Die Erwartungen an den neuen Leiter sind hoch. «Oliver Rihs bringt grosse Erfahrungen in der Automobilbranche mit und kommt wie gerufen», sagt Maurice Turrettini. «Er ist die ideale Besetzung für diesen Job. Wir denken, dass wir mit Oliver Rihs die richtigen Änderungen zur richtigen Zeit machen können, insbesondere was die Digitalisierung angeht, und so den Salon weiterentwickeln werden. Daran werden wir nicht vorbeikommen.» Olivier Rihs hat insbesondere die sehr erfolgreiche Plattform Autoscout24 mitentwickelt.

Weitere Neuentwicklungen
Als die Zukunft zur Sprache kommt, verbirgt Maurice Turrettini seine Begeisterung nicht. «Ich glaube, die technologischen Entwicklungen sind nicht aufzuhalten», sagt der 57-Jährige, der in Genf mit dem Elektrovelo oder Scooter unterwegs ist, wenn es das Wetter erlaubt. «Ob Elektroautos oder Wasserstoff als Treibstoff, das wird sich alles noch weiterentwickeln. Ich gehe deshalb davon aus, dass der Auto-Salon in Zukunft immer technischer wird. Technik und Design bleiben die beiden Säulen, die die meisten Besucher anziehen und begeistern.»

Abgesehen von der reinen Technik könnten Neuentwicklungen das Wesen des Genfer Auto-Salons grundlegend verändern. Maurice Turrettini möchte zum Beispiel die Teilnahmebedingungen lockern, um die Sichtbarkeit, die der Salon schafft, auch anderen Fahrzeugkategorien zugutekommen lassen. «Ich wünsche mir, dass der Auto-Salon zu einer Mobilitätsmesse wird und nicht nur auf Automobile beschränkt bleibt», führt der Präsident aus, dessen Amt 2020 ausläuft. «Egal, ob Elektrovelos, Scooter, Wohnmobil oder Wohnwagen: Wir müssen uns öffnen. Um überleben zu können, muss sich der Salon anpassen.»

Um den Fortbestand der Messe zu sichern, müssen – abgesehen von den unverzichtbaren Ausstellern – zwei wichtige Faktoren zusammenkommen: Medien und Besucher. Auch in diesem März dürften wieder mehr als 10 000 Journalisten aus der ganzen Welt in die Palexpo kommen. Die Besucherzahlen stellen Maurice Turrettini zufrieden, auch wenn er einen höheren Anteil an Besuchern aus der Schweiz anstrebt. «Im letzten Jahr kamen 50 Prozent der Besucher aus der Schweiz. Da wünschen wir uns mehr», sagt er, bevor er daran erinnert, dass der Bahnhof Genève-Aéroport nur wenige Minuten von der Palexpo entfernt liegt und öffentliche Verkehrsmittel gerade an Tagen mit hohem Besucheraufkommen die beste Lösung bleiben.


nach oben

 


 
Feld für switchen des Galerietyps
Bildergalerie