Nationalrat will Raser-Gesetzgebung anpassen

Ermessensspielraum

Nationalrat will Raser-Gesetzgebung anpassen

27. Februar 2018 agvs-upsa.ch - Richterinnen und Richter sollen bei der Beurteilung von Raserdelikten wieder mehr Spielraum erhalten. Der Nationalrat hat eine Motion aus dem Ständerat angenommen, die eine Lockerung der «Via-Sicura»-Gesetzgebung fordert. Der Vorstoss aus der kleinen Kammer wurde mit 112 zu 73 Stimmen (7 Enthaltungen) an den Bundesrat überwiesen.
 


sco. Damit hat der Bundesrat den Auftrag erhalten, dem Parlament eine Gesetzesänderung vorzulegen. Heute gilt als Raser, wer in einer Tempo-30-Zone mit 70 km/h fährt oder mit mehr als 200 km/h auf der Autobahn. Die Mindeststrafe dafür liegt bei einem Jahr Gefängnis. Zudem wird der Fahrausweis für mindestens zwei Jahre entzogen. Das Parlament verlangt nun, dass dieser Automatismus aus dem Gesetz gestrichen wird und die Richter bei Fahrlässigkeit des Fahrers wieder einen Ermessensspielraum erhalten. Weiter verlangt die Motion, dass die Rückgriffspflicht der Versicherer wieder in ein Rückgriffsrecht umgewandelt wird. Auf Datenaufzeichnungsgeräte und Alkoholwegfahrsperren soll verzichtet werden.
 
Ermessensspielraum vs. Emmentaler
 
Der AGVS steht hinter dem Vorstoss, der mit den Stimmen der bürgerlichen Mehrheit im Nationalrat an den Bundesrat überwiesen wurde.
 
Die Bilanz des Gesetzespakets «Via Sicura» sei positiv, sagte Manfred Bühler (SVP/BE), der Sprecher der nationalrätlichen Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen, die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten sei zurückgegangen. Bei Raserdelikten sei man aber übers Ziel hinausgeschossen: «Es tauchten viele Fälle von Ersttätern auf, die unverhältnismässig hart bestraft wurden.» Ziel des Gesetzes sei aber gewesen, notorische Raser aus dem Verkehr zu sehen. Auch Fabio Regazzi (CVP/TI) argumentierte, dass in der Praxis «leider oft unbescholtene Fahrer exzessiv bestraft wurden, die einmal zu schnell gefahren sind».
 
Regula Rytz, die Präsidentin der Grünen, ergriff für die Gegenseite das Wort. Sie kritisierte, dass man trotz «Via Sicura» noch lange nicht am Ziel sei. Pro Jahr gebe es über 17'000 Unfälle mit über 200 Todesopfern. Trotzdem wolle man nun mit einer Serie von Vorstössen «die Verkehrssicherheit durchlöchern wie einen Emmentaler». Bernhard Guhl (BDP/AG) kritisierte, dass man die geplante Alkohol-Wegfahrsperre schon vor deren Einführung wieder abschaffe.
 
Leuthard: «Nicht alles. was damals beschlossen wurde, macht Sinn»

Bundesrätin Doris Leuthard (links) zeigte sich mit der Motion einverstanden. Die Verkehrsministerin stellte fest, dass «Via Sicura» ein grosser Erfolg sei: «Wir konnten die Anzahl der im Strassenverkehr Getöteten reduzieren.» Schaue man genauer hin, sei aber nicht jede Massnahme wirksam: «Nicht alles, was damals beschlossen wurde, macht Sinn.» Im Kern blieben die Anliegen der Anti-Raser-Initiative erhalten: «Rasen ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Verbrechen.» Eine angedrohte Freiheitsstrafe von vier Jahren sei gewaltig. Man müsse aber den Einzelfall anschauen. «Der Richter soll wieder den Ermessenspielraum haben, der ihm zusteht.»
 
Der Bundesrat muss dem Parlament nun eine Gesetzesänderung vorlegen.
 
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