Verursacherprinzip endlich einhalten

Verursacherprinzip endlich einhalten

2. Mai 2016 agvs-upsa.ch - Die Initiative «für eine faire Verkehrsfinanzierung», über die wir am 5. Juni abstimmen, bringt Transparenz in die Finanzströme des Bundes. Von der Zweckbindung der Einnahmen aus dem Strassenverkehr für dessen Infrastruktur profitieren auch die Wirtschaft und der öffentliche Verkehr. Doris Fiala (FDP-Nationalrätin)

Das Verursacherprinzip gehört zu den Grundprinzipien der Bundesverfassung. Es besagt, dass der eine nicht für das Verkehrsmittel des anderen zahlen muss. Genauer gesagt: Derjenige, der Kosten verursacht, muss für diese auch selber aufkommen. Dieses wichtige Prinzip wird jedoch nicht immer angewendet, und es wird insbesondere im Bereich der Strassenfinanzierung oft missachtet. Das liegt daran, dass die heutigen Abgaben der Strassenbenützer nicht immer zweckgebunden sind. Die Initiative für eine faire Verkehrsfinanzierung, auch «Milchkuh-Initiative» genannt, will das in Bezug auf die Mineralölsteuer ändern.

Verworrene Geldflüsse
Die Hälfte des Reinertrags der Verbrauchssteuer auf Treibstoffen – so heisst die angesprochene Mineralölsteuer offiziell – fliesst heute nämlich direkt in die Bundeskasse. Die andere Hälfte geht in den Fonds der Spezialfinanzierung Strassenverkehr. Neben Strassenprojekten wird mit den Mitteln aus diesem Fonds auch der öffentliche Verkehr finanziert. Die Geldabflüsse und -zuflüsse sind sehr verworren und unübersichtlich. Kaum ein Politiker in Bundesbern ist in der Lage, eine exakte Trennung der Mittelflüsse in Nichtstrassenprojekte und Strassenprojekte vorzunehmen. Damit wird nachweislich die Einhaltung des Prinzips der Kostenwahrheit missachtet. Die Kontrolle über die Einhaltung des Verursacherprinzips wird dadurch zunehmend erschwert.

Die Zweckentfremdung von Strassengeldern gehört folglich zur Tagesordnung. Zur Finanzierung der Bahnprojekte wird dem Strassenverkehr fortlaufend Geld entzogen. Während sich der Strassenverkehr selber zu finanzieren vermag, liegt die Eigenwirtschaftlichkeit des öffentlichen Verkehrs lediglich zwischen 40 und 50 Prozent. Kommt hinzu, dass die Bahn nur eine Auslastung von 40 Prozent hat! Das heisst im Klartext: Bei mehr als jeder zweiten mit der Bahn zurückgelegten Strecke übernimmt der Staat die Kosten – und nicht der Bahnreisende. Bahn- und Buspassagiere bezahlen selbst bei wohlwollender Betrachtung nicht einmal die Hälfte der Kosten, die der öffentliche Verkehr effektiv verursacht. Dagegen kommen die Strassenbenützer für ihre Kosten vollumfänglich selber auf. Die Strasse benötigt keinerlei staatliche Zuschüsse. Doch während die Bahn stetig ausgebaut wird, werden Strassenprojekte nur bei gleichzeitiger Erhöhung von Steuern oder Gebühren bewilligt. Die Initiative kann und will das verhindern. Das Verkehrsangebot und seine Finanzierung sollen nicht länger unabhängig von der Nachfrage der Konsumenten gestaltet werden.

ÖV braucht die Strasse
Es liegt mir fern, Strasse und Schiene gegeneinander auszuspielen – das will auch diese Initiative nicht. Im Gegenteil: Ein guter Service public im öffentlichen Verkehr gehört meiner Meinung nach zu den wichtigsten Staatsaufgaben. Dabei dürfen wir aber die Strasse nicht vergessen, die in diesem Bereich ebenfalls grosse Leistungen erbringt. Wir müssen uns bewusst sein, dass der öffentliche Verkehr ohne Strasse nicht funktioniert: Rund 75 Prozent der mit dem öffentlichen Verkehr beförderten Personen nutzen die Strasse. Ob Postauto, Tram oder Bus, an vielen Orten in der Stadt und auf dem Land nutzen die Menschen mit dem öffentlichen Verkehr die Strasse. Die Initiative wird mit ihrem Ziel der Zweckbindung dem Verursacherprinzip gerecht und garantiert gleichzeitig die freie Wahl des Fortbewegungsmittels. Auch das Velo braucht bekanntlich die Strasse! Das heutige Mobilitätsbedürfnis erfordert ein vielfältiges Angebot an Verkehrsmitteln. Die Politik kann und darf den Menschen nicht vorschreiben, wie und wann sie sich womit wohin fortzubewegen haben. Das ist mit einer liberalen Gesellschaft und Wirtschaftsordnung nicht vereinbar.

Wirtschaftliche Bedeutung
Gleichzeitig kann die Wichtigkeit einer funktionierenden Strasseninfrastruktur für die Wirtschaft nicht hoch genug eingeschätzt werden. Rund 60 Prozent des Güterverkehrs in der Schweiz werden über die Strasse abgewickelt. Die «letzte Meile» bis zum Kunden kann zumeist gar nicht über die Schiene zurückgelegt werden. Kein Wunder also, dass die Strasseninfrastruktur bereits vor zehn Jahren rund 46 Milliarden Franken Wertschöpfung für die Schweiz generiert hat. Leider haben das Bundesamt für Raumentwicklung ARE und das Bundesamt für Strassen ASTRA, deren Studie zum Nutzen des Verkehrs diese Zahl entstammt, seitdem keine Neuauflage ihrer Grundlagenforschung veröffentlicht. Denn viel zu oft werden die Nachteile des Strassenverkehrs in der Öffentlichkeit hervorgehoben. Über den Nutzen für uns alle im Alltag und bei der Wirtschaftsleistung, die für Steuereinnahmen von Unternehmen und Privaten sorgt, wird viel zu selten gesprochen.

Fairness und Transparenz
Die Initiative für eine faire Verkehrsfinanzierung verdient ein Ja an der Urne. Denn mit ihrer klaren Zweckbindung und der Einführung des Verursacherprinzips in der Verkehrsfinanzierung werden unübersichtliche Finanzströme entwirrt. Das führt zu mehr Fairness und Transparenz bei der Finanzierung von grundlegenden Staatsaufgaben. Darüber hinaus schafft die «Milchkuh-Initiative» die finanzielle Grundlage für die Instandsetzung unserer Strasseninfrastruktur. Davon profitiert auch der öffentliche Verkehr, der zu drei Vierteln auf der Strasse abgewickelt wird. Auch die Wirtschaft würde zu den Gewinnern gehören. Deshalb sage ich am 5. Juni Ja zur fairen Verkehrsfinanzierung.

Quelle: «Zürcher Wirtschaft 4/2016» (www.kgv.ch)

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