Ungewöhnlicher Werdegang zum Fahrzeugrestaurator

Motorsport- und Oldtimer-Kompetenz

Ungewöhnlicher Werdegang zum Fahrzeugrestaurator

30. April 2025 agvs-upsa.ch – Beim kleinen Waadtländer Dörfchen Gingins liegt die Werkstatt von Anthony Sinopoli. Wie und warum Sinopoli zum Fahrzeugrestaurator mit eidg. Fachausweis wurde, erläutert der 54-Jährige bei einem Besuch in seiner GSG Racing Concept SA. Jürg A. Stettler


Anthony Sinopoli hat Benzin im Blut und ist begeistert von Oldtimern. Fotos: GSG Racing Concept SA

Der Begriff «Industriequartier» klingt grösser, als das Gewerbegebiet kurz vor Gingins VD wirklich ist. Aber wer dort, am Jurasüdfuss, diese kleine Garage betritt, dem bleibt als Auto- und erst recht Rallyefan die Spucke weg. Nein, nicht einfach ein, sondern gleich mehrere Lancia Delta HF Integrale in der typischen Martini-Lackierung, mit denen Juha Kankunnen und Miki Biasion in den späten 1980er-Jahren die Rallye-WM dominierten, stehen hier. Anthony Sinopoli begrüsst uns mit einem breiten Grinsen und meint fast entschuldigend: «Ein wichtiger Kunde besitzt die grösste Rallye-Lancia-Sammlung und vertraut unserer Arbeit.» Angefangen hatte alles 1997. Damals kümmerte sich noch Anthony Sinopolis Vater Gianni allein um die Rennwagen. «Eine offizielle Werkstatt sind wir erst seit 2003», sagt Anthony Sinopoli. «Mein Vater war damals für das Fiat-Schweiz-Team bei Rallyes zuständig, bei denen zwei Lancia 037 der Gruppe B und vier Fiat Uno Turbo der Gruppe N zum Einsatz kamen. Daher kennt er sich auch so gut aus mit diesen Modellen.»

Vom Buchhalter zum Restaurato
Die Familie Sinopoli hatte schon immer Benzin im Blut. «Mein Vater hat mir die Leidenschaft für Autos vermittelt und mir auch bei meinen Rennsporteinsätzen geholfen. Ich bin seit meinem 18. Lebensjahr in der Schweiz Rennen gefahren. 2005 wurde ich Schweizer Meister in der Formel 3», erläutert der sympathische 54-Jährige. Auch seine Schwester Catherine ist gerne schnell unterwegs. Sie fuhr ab 1995 in einem Sportwagen-Prototyp Bergrennen und ist sechsfache Europameisterin. «Und dies, obwohl die Leute behaupteten, ihr Auto sei nicht für Frauen geeignet», ergänzt Anthony Sinopoli. Doch von solchen Ansichten liess sich seine Familie noch nie beirren.


In der GSG Racing Concept SA wird jeweils auch die grösste Rallye-Lancia-Sammlung gewartet.

Auch Anthony Sinopolis Werdegang zum Fahrzeugrestaurator mit eidg. Fachausweis verlief nicht ganz gerade, denn ursprünglich absolvierte der Westschweizer eine Buchhalterlehre. Danach arbeitete er lange für die Genfer Kriminalpolizei und war auch als Fahrlehrer tätig. «2006 fragte mich mein Vater, ob ich mit ihm zusammenarbeiten wolle, um die Werkstatt administrativ zu leiten. So wurde ich auf Umwegen zum Automechaniker. » Neben Rennportboliden und Oldtimern betreute GSG Racing Concept SA bis 2024 fast 20 Jahre lang den Pressefahrzeugpark für Marken der heutigen Stellantis-Gruppe und Mazda Schweiz. «Nach Führungswechseln haben die Unternehmen es vorgezogen, diesen Vertrag an andere zu vergeben. Aber wir führen weiterhin Mechanikarbeiten für die Kundinnen und Kunden aller Marken aus der Region durch. Und: Ich bin nach wie vor auch als Fahrlehrer tätig», ergänzt Anthony Sinopoli schmunzelnd.

Aus Motivation zum Fachausweis
Die wahre Liebe von Sinopoli gilt den Oldund Youngtimern. «Oldtimer haben mich schon immer angezogen, sowohl von ihrer Ästhetik als auch von ihren Motoren her. Moderne Autos sehen alle gleich aus, und sie mit Hilfe eines Diagnosegeräts zu reparieren, ist meiner Meinung nach auch nicht interessant », fügt er an. Die Arbeit an Oldtimern sei stets sehr spannend, nur dauere es oft lange, bis man Teile finde oder nicht mehr erhältliche herstellen könne. «Mit modernen Autos könnte man die Werkstatt natürlich viel besser auslasten», ergänzt dann der Buchhalter in ihm. Und warum hat er sich vor drei Jahren entschieden, noch die Ausbildung mit eidgenössischem Fachausweis zu absolvieren, wo er doch auch so an den Fahrzeugen arbeiten könnte? «Ich habe die Anzeige für den Lehrgang in einer Zeitung gesehen und mich erkundigt, ob ich mich anmelden kann, da ich keinen offiziellen Mechaniker-Ausweis besitze. Sie haben meine Bewerbung zum Glück angenommen. Ich wollte diesen Fachausweis vor allem aus persönlicher Motivation, um mir zu bestätigen, dass ich in der Lage bin, mich wirklich kompetent um Oldtimer zu kümmern», erläutert der seit Anfang 2025 frische gebackene Fahrzeugrestaurator. Die Ausbildung war für den 54-Jährigen eine enorme Herausforderung. «Da ich keinen Maschinenbau studiert habe, musste ich härter arbeiten als die anderen, um viel aufzuholen. Ausserdem kümmerte ich mich daneben um die Werkstattverwaltung und auch um die Restaurierung mehrerer Autos», erläutert Sinopoli. «Das war eine grosse Mehrbelastung, aber es hat sich gelohnt! Zudem war ich schon immer motiviert, neue Dinge zu lernen.»


Zu dritt kümmert man sich in der kleinen Westschweizer Garage um die edlen Rennboliden


Volle Transparenz gegenüber Kunden
Gibt es ein Traumauto, das er eines Tages unbedingt in der Werkstatt in Gingins haben möchte, um es restaurieren zu können? Er lässt seinen Blick über die Boliden, die gerade in der kleinen Werkstatt stehen, schweifen – und erklärt: «Ich hatte das Glück, schon viele Traumautos warten zu dürfen. Zum Beispiel den Lancia Delta S4 Stradale. Da durfte ich sogar schon an zwei zugleich arbeiten!» Bei Restaurierungen gibt es ja oft Überraschungen, die teuer werden können. Wie geht er damit um? «Ich bin gegenüber Kundinnen und Kunden immer sehr transparent. Ich höre mir an, was sie wollen, und gebe dann meine ehrliche Meinung ab. Ich halte sie während der Arbeiten über alles auf dem Laufenden und frage, was sie haben oder lassen möchten.» Gibt es auch Restaurierungen, die keinen Sinn machen, weil beispielsweise die Renovierung eines Autobianchi A112 mehr kostet, als das Fahrzeug danach wert ist? Anthony Sinopoli lacht herzlich und sagt: «Ich habe gerade eine Anfrage für einen Autobianchi Abarth erhalten. Mein Kunde hat dieses Fahrzeug immer geliebt und möchte es unbedingt in der Schweiz fahren. Die Ausgaben sind oft zweitrangig gegenüber solchen Wünschen.» Aber man müsse auch hier immer offen mit der Kundschaft kommunizieren. «Es sind harte Zeiten für unabhängige Werkstätten wie unsere, die keine Vertragshändler sind. Da sind zufriedene Kundinnen und Kunden extrem wichtig», erläutert er und ergänzt: «Ich hoffe, dass wir weiterhin unserer Leidenschaft nachgehen können, und vielleicht versuchen wir auch, unser Unternehmen zu vergrössern.»

Helfen Rennen bei Kundenakquise?
Hilft seiner kleiner Garage dabei die Tatsache, dass er selbst Oldtimerrennen fährt und so immer wieder auf neue Kundinnen und Kunden stösst? Kaum jemand bittet einem einfach aus heiterem Himmel ein so seltenes Auto wie einen Ferrari F500 F2 zu restaurieren… «Klar hilft es, wenn man in der Szene unterwegs ist», gesteht Sinopoli. «2018 hatte ich beispielsweise die grosse Ehre, am historischen Grand Prix von Monaco am Steuer eines Maserati 4 CM von 1936 teilzunehmen. Indem wir zeigten, dass wir Oldtimer-Rennwagen präparieren können, die gute Ergebnisse erzielen », führt er aus, «wurde potenzielle Kundschaft schon auf uns aufmerksam.» Ist man bei solchen Rennen wie dem Monaco Historique nicht fast zu verhalten unterwegs, weil man die prächtigen und teuren Fahrzeuge nicht beschädigen will und deshalb nicht auf der letzten Rille fährt. «Das ist jeweils ein Herantasten, dass auch in Absprache mit dem Besitzer geschehen muss. Beim Maserati wollte der Kunde am Anfang nur, dass dieser auf der Strecke gezeigt wurde. Als er merkte, dass mehr drin liegt und er mir vertrauen konnte, durfte ich es mit dem 4 CM schneller angehen. Weil wir das Auto selbst vorbereitet hatten, wusste ich ja, dass es nicht nur im Vorführ- sondern auch in einem ‹Renn›-Modus bewegt werden konnte», erinnert er sich mit strahlenden Augen ans Rennen von damals, ehe das Telefon klingelt und ein Kunde seine Expertise als Fahrzeugrestaurator mit eidg. Fachausweis benötigt.


Fahrzeugrestaurator und Rennfahrer Anthony Sinopoli am Steuer des roten Maserati 4 CM von 1936 kurz vor dem Start am historischen GP von Monaco.
 
Attraktive Ausbildung nicht verpassen
Der AGVS engagiert sich zusammen mit dem Schweizerischer Carrosserieverband und der Interessengemeinschaft Fahrzeugrestauratoren Schweiz IgFS seit Jahren, um das mobile Erbe der Schweiz zu erhalten und für Interessierte, die dieses pflegen. Denn die Automobiltechnik der ersten siebzig Jahre des 20. Jahrhunderts läuft Gefahr, in Vergessenheit zu geraten. Ein direkter Bezug zum Design der aktuellen Fahrzeuge ist kaum mehr möglich. Die Faszination klassischer Arbeiten an Mechanik-, Hydraulik- und Elektrik-Systemen bleibt jedoch bestehen.

Alle Infos, auch zu den nächsten Lehrgängen, gibt’s unter:
fahrzeugrestaurator.ch
Feld für switchen des Galerietyps
Bildergalerie

Kommentar hinzufügen

4 + 2 =
Lösen Sie diese einfache mathematische Aufgabe und geben das Ergebnis ein. z.B. Geben Sie für 1+3 eine 4 ein.

Kommentare