«Der Garagist soll spüren, dass sich der Besuch am Salon wieder lohnt»

Kaum eine Meldung interessierte die Autobranche in den letzten Monaten so sehr wie die Ankündigung des neuen Auto-Salon-Direktors Olivier Rihs. AUTOINSIDE unterhielt sich mit ihm über die Zukunft der Messe – mit Blick auf die Garagisten und Zulieferbranche.

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Herr Rihs, was ist Ihr persönliches Auto-Salon-Erlebnis?
Olivier Rihs: Der Mix aus viel Arbeit und guten Emotionen. Für uns bei Autoscout24 war es die Hauptsaison mit vielen Kontakten. Die ganze Branche trifft sich in Genf und tauscht sich aus. Das Zusammenkommen der ganzen Autobranche habe ich sehr geschätzt.

Man merkt sofort, dass Ihr Feuer für die Autobranche brennt …
Mobilität ist wichtig und wird immer wichtiger. Der Mensch will auch in Zukunft von A nach B kommen – mit einem Mix aus verschiedenen Verkehrsmitteln. Der Auto-Salon soll für die Branche ein Podium umweltfreundlicher Mobilität sein – das ist auch für das Publikum wichtig. In fünf bis zehn Jahren werden die Leute bereit sein, in Elektrofahrzeuge zu investieren. Wir brauchen in Genf deshalb alle Player der zukünftigen Mobilität an Bord: Softwareentwickler, Technologiekonzerne, Medien, Anbieter von Plattformen usw. Wenn sich jemand für Elektromobilität und Ladestationen interessiert, soll ihm das in Genf gezeigt werden.

Seit bekannt wurde, dass Sie die Nachfolge von André Hefti übernehmen werden, wurden Sie mit Interviewanfragen beinahe überrannt. Das ist eigentlich ein gutes Zeichen für den Auto-Salon und seine Zukunft.
Genf findet 2019 bereits zum 89. Mal statt. Das verdeutlicht, dass das Interesse des Publikums und die Faszination immer noch vorhanden sind. Das Auto mag nicht mehr Statussymbol sein, aber die Faszination für Technologie und Design ist weiterhin vorhanden. Rund 80 Prozent der Schweizer und Schweizerinnen nutzen das Auto täglich. Das wird auch in Zukunft so sein. In 30 Jahren werden in der Schweiz rund 10 Millionen Menschen leben. Dies erfordert eine grössere Mobilitätskapazität, die mit den aktuellen Businessmodellen nicht möglich sein wird. Das ist sehr spannend, und deshalb habe ich die Herausforderung auch akzeptiert.

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Dieses Jahr gab es Schlagzeilen, weil mit Ford, Hyundai, Opel und Volvo vier grosse Marken auf eine Präsenz am Auto-Salon verzichten. Wie besorgniserregend ist dies für den neuen Direktor?
Es ist natürlich schade, dass diese Marken nicht am Salon sind. Die Hersteller werden indes eine gemeinsame Plattform brauchen. Genf ist dafür geeignet. Meine Ambition ist es, dass Genf zumindest in Europa zu dieser Plattform wird. Ich war an der Electronica in München, die in vier Tagen 80 000 Besucher hatte – 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Und warum? Die Besucher konnten neue Technologien nicht nur bestaunen, sondern spüren und erleben.

Hersteller wollen ihre Neuheiten lieber in einem konkurrenzfreien Umfeld präsentieren. Wie locken Sie diese trotzdem nach Genf?
Die Marketingabteilungen der Hersteller wollen den maximalen Re­turn on Investment herausholen. Die Hersteller wissen aber auch, dass die Industrie eine gemeinsame Plattform braucht, um Werte und Trends zu platzieren. Auf der anderen Seite haben die Messen die Entwicklung ein wenig verschlafen und verkaufen noch immer Quadratmeter statt Events. Eine Automesse als Plattform für die Gesamtbranche kann Werte, Image und Zukunftsaussichten vermitteln. Das schafft eine einzelne Marke nicht – oder nicht in diesem Ausmass.
 
Sie haben gesagt, Sie wollen erst einmal schauen, fragen und lernen. Wie viel haben Sie schon gelernt und viele Tipps haben Sie bereits erhalten? Welche hauptsächlichen Stossrichtungen haben Ihre Überlegungen?
Ich sehe drei Aspekte: Forum, Podiumsdiskussion und Konferenzen. Das World Economic Forum in Davos hat einen Workshop für Mobilität. Wieso soll das nicht auch in Genf möglich sein? Das ist eine der Ideen. Gleichzeitig müssen wir die neuen Lösungen und Modelle der Mobilität für das Publikum spürbar machen. Wie werden Fahrzeuge in Zukunft genutzt? Das Publikum will Gesamtlösungen sehen, und der Salon ist die perfekte Möglichkeit, die Branche positiv zu platzieren. Wir dürfen jedoch das Erbe nicht einfach über den Haufen werfen. Wir müssen Schritt für Schritt mit der Transformation mitgehen und den Salon weiterentwickeln.

Das Messewesen hat sich sehr schnell und sehr stark verändert. Kann der Auto-Salon Verpasstes überhaupt genug rasch aufholen?
Für mich ist klar, dass es mittelfristig in Europa nicht drei, vier oder fünf Automessen geben wird. Nur eine wird bleiben und Genf hat die besten Voraussetzungen dafür: den Flughafen, die gute Erreichbarkeit und die Kosten. Der Auto-Salon ist prädestiniert, die Autoshow europaweit zu sein. Aber dazu braucht es Veränderungen, wie die jüngste Vergangenheit zeigt: Züspa in Zürich, Muba in Basel oder der Comptoir Suisse in Lausanne – sie haben sich nicht verändert und verschwinden nun. Das kann auch in Genf passieren, und das wäre für viele Parteien eine Lose-lose-Situation! Der Stiftungsrat des Auto-Salons hat klar gesagt: Das wollen wir verhindern. Wir wollen eine jährliche Autoshow in Genf!

Die jährliche Durchführung ist also die richtige Frequenz?
Wirtschaftlich macht es Sinn, den Auto-Salon jährlich zu veranstalten. Die Entwicklung in der Mobilität geschieht so rasant, dass man den Salon nicht nur jedes zweite Jahr durchführen kann, will man die Transformation vorantreiben. Auch die Dauer ist kein Thema: Die Besucherzahl und die Resonanz brauchen zehn Tage. Aus meiner Sicht ist der Rhythmus richtig, die Dauer ist richtig, der Zeitpunkt im Frühjahr ist richtig – es läuft sehr vieles richtig in Genf. Wir haben eine sehr gute Basis für die Zukunft Die Kosten beispielsweise für Hotels und Personal sind eine grosse Herausforderung – vor allem für die kleineren Zulieferfirmen. Darauf haben Sie als Salon-Direktor nur einen beschränkten Einfluss. Für eine erfolgreiche Zukunft braucht es alle Player: Die Palexpo, die Wirtschaft in Genf, es braucht Investitionen und es braucht den Kanton Genf. In den zwei Salon-Wochen werden rund 300 Millionen Franken ausgegeben. Will man das aufs Spiel setzen? In Basel verlor die Basel World die Hälfte der Aussteller – entsprechend fehlen den Hotels die Übernachtungen. Wir werden das Gespräch mit den entsprechenden Playern suchen. Wollen sie kurzfristig Umsatz machen oder längerfristig einen Event sichern, der jährlich fast 700 000 Besucher in die Region bringt. Es wird einiges an Überzeugungskraft brauchen.
 
In einem Interview sagten Sie, dass Google einen Platz am Salon haben kann. Wie sieht Ihre Vision für den Auto-Salon 2025 aus?
Die Leute erkunden die Welt heute mit Google Street View. Weshalb soll das nicht auch am Salon möglich sein? Ich sehe ein Potenzial von einer bis zehn Millionen virtuellen Besuchern. Und dann macht der Salon für die Hersteller wieder mehr Sinn. Die virtuellen Besucher sind wichtig, denn von ihnen gibt es Daten und sie können nachbearbeitet werden. Wann und wie dies machbar ist, bleibt zu überprüfen. Jetzt geht es darum, die Ideen zu spüren und zu testen, ob Interesse vorhanden ist.
 
Die SAA-Expo läuft quasi als separater Brand, was vom Grossteil der Besucher kaum erkannt wird. Wie sinnvoll ist diese Positionierung aus Ihrer Sicht?
Es ist in erster Linie wichtig, dass sie SAA vor Ort ist und wir als eine Branche eng zusammenarbeiten. Je mehr Aussteller in Genf sind, desto reichhaltiger und besser ist der Salon. Die Plattform soll für alle offen sein. Wie die interne Organisation letztlich funktioniert, darf den Besucher nicht tangieren. Jede Massnahme soll dem Event etwas bringen. So wird es zur Win-win-Situation.
 
Mit Abt und Panolin verzichten zwei langjährige Aussteller der Halle 7 in diesem Jahr auf einen Auftritt. Wie zuversichtlich sind Sie, dass auch diese ab 2020 wieder mit von der Partie sein werden?
Ich werde mit den Ausstellern das Gespräch suchen und sie fragen: Mit welchem Konzept, das für die Aussteller bezahlbar und sinnvoll ist, bringen wir die Leute in die Halle? Unter welchen Umständen wird die Halle 7 für die Zukunft wieder attraktiv?

Für die Garagisten war die Halle 7 ein wichtiger Besuchsanreiz. Ab 2020 findet diese Ausstellung definitiv als Kurzmesse statt. Welche weiteren Möglichkeiten sehen Sie, um die Halle 7 wiederzubeleben?
An erster Stelle steht die Frage, was für die Garagisten und die Zulieferbranche Sinn macht. Zehn Tage für die Halle 7 sind zu lange; das ist erkannt. Früher fuhr ein Garagist zwei Tage nach Genf, orientierte sich über die Neuheiten, machte seine Einkäufe und genoss auch das Genfer Nachtleben. Heute sind die Einkaufskanäle anders, und für die Neuheiten muss er ebenfalls nicht nach Genf fahren. Für die Zulieferbranche kann Genf als Podium dienen, denn es geht auch um die Herausforderung der neuen Technologien. Und für die Zulieferer ist es überdies eine gute Gelegenheit, die Kunden zu treffen und zu pflegen. Gerade in der digitalen Zeit gewinnt der direkte Kontakt vermehrt an Bedeutung.
 
Es gibt immer mehr Staustunden – betroffen sind die Hauptverkehrsachsen und Städte wie Genf. Das dürfte auch einige vom Salon-Besuch abhalten. Sehen Sie eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken?
Die Garagisten reisten schon früher mit dem Zug an den Salon, weil die Stau- und Parkplatzsituation prekär war. Die Anreise ist meines Erachtens weniger das Problem, sondern die Motivation. Der Auto-Salon muss ein Event sein, den man nicht verpassen will. Der Garagist muss spüren, dass er bei den Treffen und vom Austausch mit Branchenkollegen profitiert, um sein Geschäft weiterzuentwickeln. Genf muss Trends setzen und Genf muss wieder Spass machen. Wir haben eine tolle Branche, und Mobilität ist ein hochspannendes Thema. Der Garagist muss überzeugt sein, dass es sich lohnt, einen Tag in Genf zu investieren.
 
Auto sind Faszination und Emotion. Wird dies in der heutigen Form noch genügend vermittelt?
Die Entwicklung von saubereren Technologien darf ruhig besser kommuniziert werden. Ich sehe leider die Tendenz der Branche, sich zu verstecken. Bei meinen Reisen in andere Teile der Welt erlebte ich einen ganz anderen Umgang mit Auto und Mobilität. Dubai sei hier als anderes Extrem erwähnt, wo PS-starke Boliden zur Schau gestellt werden. Auch in China und Asien ist das Auto wichtig. Die Faszination Technologie wird in den Vordergrund gerückt. Aber sicher ist: Emotionen und Wow-Effekte dürfen nicht fehlen. Ich war kürzlich in New York. Dank den Apps und dem Smartphone musste ich nie mehr als zwei Minuten auf ein Transportmittel warten. Das ist eine qualitativ sehr gute Leistung – und für mich als Nutzer sehr einfach. An der besagten Elektronikmesse in München waren nicht nur IT-Freaks. Zukunftstechnologien und das Internet der Dinge interessieren und faszinieren. Auf was freuen Sie sich am Auto-Salon 2019 besonders? Ich freue mich auf den Start; offiziell beginnt mein Mandat ja erst am 1. Februar 2019. Ich freue mich aber auch auf viele spannende Gespräche, Ideen und Anre­gungen. Ich freue mich auf einen regen Austausch und natürlich auf den Event selber. Vor allem aber freue ich mich auf die Herausforderung.


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