«Am Auto-Salon spielt die Musik»

«Nehmt uns den Auto-Salon nicht weg», fordert René Degen angesichts des steigenden Drucks auf Publikumsmessen im In- und Ausland. Der Garagist und AGVS-Zentralvorstand spricht mit AUTOINSIDE über die Emotionen des Salons, über Kindheitserinnerungen und Herausforderungen – und darüber, wie der Garagist in Zeiten der Elektromobilität noch Geld verdienen wird.
 

SCO. Herr Degen, eine Grundsatzfrage: Wie geht es dem Schweizer Garagisten heute?
René Degen: Welchen Garagisten meinen Sie? Den heutigen oder den in Zukunft? Nun, es ist kein Zuckerschlecken. Ich bin aber der Meinung, dass wir durch harte Arbeit und durch Freude am Beruf auch in Zukunft die Mobilität aufrechterhalten und Arbeitsplätze sichern werden. Sicher müssen wir uns an die Digitalisierung – ich kann das Wort schon bald nicht mehr hören – anpassen. Anpassen mussten sich schon unsere Väter und Grossväter; das haben wir gelernt und das können wir.

Der Auto-Salon steht vor der Tür. Wie wichtig ist er für das Schweizer Autogewerbe?
Eminent wichtig, hier spielt die Musik – sehen und gesehen werden, lautet die Devise. Hier werden zwischen Automobilist und neuem Modell erste Kontakte geknüpft. Hat es gefunkt, kommt der Kunde an seinem Wohnort zum Händler – und schon ist wieder ein Fahrzeug mehr auf dem Zähler. Okay, ganz so einfach ist es nun doch nicht, aber sehr viele meiner Kunden orientieren sich am Auto-Salon über neue Produkte. Dort werden Anreize geschaffen und Bedürfnisse geweckt. Kommt dann noch die gute Stimmung dazu, macht das kauflustig. Diese Lust müssen wir aufrechterhalten und unsere Kunden anschliessend zu uns einladen. Aber was sag ich da, das wissen meine Kollegen genauso gut wie ich.

Ihre Marke Nissan ist am Salon vertreten. Was erwarten Sie von diesem Auftritt?
Ich bin nur schon froh, dass Nissan in Genf vertreten ist... Nein, im Ernst: Ich freue mich sehr, dass sich meine Marke am Salon von ihrer besten Seite zeigt. Das erfüllt mich mit Stolz und gibt meinen Kunden die Sicherheit, die richtige Marke zu fahren. Dann sollten die Gegenwart und die Zukunft ausgestellt sein und immer ein Ansprechpartner Zeit haben für uns Händler. Ja, und wenn dann noch ein kühler Chasselas serviert wird, sind wir für einmal wunschlos glücklich.

Wie nutzen Sie ihn in der Kundenpflege?
Nach einer Pause reisen wir dieses Jahr wieder mit 70 Kunden an den Auto-Salon. Mein Weggefährte und Händlerkollege Martin Müller und ich machen diese VIP-Fahrten schon viele Jahre. Die Nissan-Lounge ist dann für uns reserviert, damit unsere Kunden in gediegener Atmosphäre ein feines Mittagessen einnehmen können. Die Hin-und Rückreise organisiert für uns die Firma Settelen; so können unser Kunden bequem von Tür zu Tür reisen.   

Die Palette von Nissan ist von SUV und Kleinwagen geprägt. Eine Limousine oder ein Kombi der Mittelklasse fehlt. Ist das ein Problem?
Limousinen und Kombis gibt es genug auf dem Markt, da müssen wir nicht zwingend auch noch reinpreschen. Nissan baut, was Nissan kann, und da sind wir stark. Mit unseren Crossovers wie Juke, Qashqai und X-Trail liegen wir voll im Trend. Der neue Nissan Micra ist erwachsen geworden und mit dem meistverkauften Elektrofahrzeug, dem Nissan Leaf, fahren wir emissionsfrei in die Zukunft, was will man mehr?

Insgesamt stehen drei sogenannte «Zero Emission»-Fahrzeuge für Nissan am Start. Sie sind im AGVS-Zentralvorstand für den Bereich Aftersales und Dienstleistungen zuständig: Wo sehen Sie in der Elektromobilität Raum für Zusatzgeschäfte?
Sie stellen mir keine einfachen Fragen! Also ich blicke der Zukunft mit Freude entgegen, denn man soll nicht glauben, dass Elektrofahrzeuge keinen Service mehr benötigen. Ich verkaufe seit 2012 den Nissan Leaf, konnte also schon reichlich Erfahrungen sammeln. Die Reparaturen und Servicearbeiten sind einfach anders gelagert. Der Kunde braucht mehr Betreuung. Diese Betreuung können wir nicht mehr gratis abgeben, da müssen wir umdenken. Weiter ist bekannt, dass 80 Prozent der Elektrofahrzeuge zu Hause geladen werden. Diese Ladestationen müssen wir verkaufen und am liebsten noch montieren. Auch im Verkauf von Versicherungen können wir stärker werden. Und bei den Scheibenreparaturen ist noch viel Luft nach oben ... Die Arbeit geht uns also auch mit Elektromobilen nicht aus.

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Wie kann der AGVS den Garagisten hier unterstützen?

Der AGVS ist der Interessenvertreter von uns Garagisten. Er muss sich dafür einsetzen, möglichst ideale Rahmenbedingungen für seine Mitglieder zu schaffen. Und er hat die Garagen laufend über wichtige Themen und anstehende Veränderungen in der Branche zu informieren. Ausserdem erwartet die Branche von ihrem Verband konkrete Handlungsempfehlungen und attraktive Dienstleistungsangebote. Im Bereich der Elektromobilität könnte sich der AGVS zum Beispiel beim Staatssekretariat für Wirtschaft Seco dafür einsetzen, dass die Garagisten künftig auch Elektroinstallationen ausführen dürfen oder vergünstigt Ladestationen beziehen können.

Weltweit geraten Messen unter Druck. Man kann Autos heute bequem am Computer konfigurieren, mit Virtual Reality sogar erfahren. Braucht es eine Messe wie den Auto-Salon fürs Geschäft?
Die über Jahre hinweg grosse Besucherzahl bestätigt das ungebrochene Interesse an der individuellen Mobilität oder an der Faszination Automobil. Wie Sie richtig sagen, haben es Publikumsmessen nicht einfach; unsere Herbstwarenmesse in Basel wurde nach 90 Jahren leider eingestellt. Was ist anders als an der Automesse in Genf? Erstens war die Herbstwarenmesse in Basel eine reine Verkaufsmesse und das geht heute gar nicht mehr. Zweitens war sie ohne Emotionen – noch schlimmer. Der Mensch hat das urige Bedürfnis, alles mit seinen fünf Sinnesorganen zu erleben. Das kann die Digitalisierung noch nicht bieten. Ganz wichtig ist doch die Haptik, der Tastsinn. Wie fühlt sich das Lenkrad an? Wie der Lack oder der Türgriff? Und dann natürlich der Geruchssinn, die olfaktorische Wahrnehmung. Ich kann mich gut erinnern, als ich mit meinem Vater im Ford Taunus 12 m mit Weltkugel das erste Mal den Auto-Salon besuchte. Ich erfuhr ein unglaubliches Geruchserlebnis: Es roch nicht nach gebrannten Mandeln wie auf der Herbstmesse, nein, noch besser! Es roch nach Auto, nach Reifen, Leder und Politur. Noch heute werde ich bei jedem Salon-Besuch in die Zeit mit meinem Vater zurückversetzt. Also nehmt mir, nehmt uns den Auto-Salon in Genf nicht weg!

In Binningen BL sind Sie einen Steinwurf von der deutschen Grenze entfernt. Wir haben Sie das Auf und Ab des Euro in den letzten drei Jahren erlebt?
Wir Schweizer Garagisten bieten ein hohes Mass an Professionalität. Ich will damit sagen, dass wir ein gutes bis sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis haben. Wir haben sogar Kunden aus dem nahen Elsass und Süd-Baden, die ihr Fahrzeug zu uns bringen, weil sie in der Schweiz arbeiten und Schweizer Arbeit sehr schätzen. Die Euro-Geschichte konnten wir mit Sonderrabatten auffangen, weil die Hersteller rasch reagiert haben. Dadurch konnten wir sogar mehr Stückzahlen generieren. Sicher gibt es Konsumenten, die vergessen, woher ihr Lohn kommt und wer ihre Kinder oder Grosskinder ausbildet. Die hat es aber früher schon geben. Ich erinnere mich, wie ich als Kind beim Nachbarn zu Besuch war und auf dem Tisch damals schon Rama aus Deutschland anstelle von «Angge» stand. Ich möchte mich nicht beklagen. Wir Garagisten in beiden Basel haben immer noch Butter auf dem Brot, einfach dünner gestrichen.


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